Fesseln des Schicksals (German Edition)
der Hochzeit seiner Tochter zugegen zu sein, war Beweis genug.
«Ah, und da sind ja auch meine Lieblingsnichten!»
Hortensia und Charlotte lächelten. «Hallo, Onkel Quentin», antworteten sie wie aus einem Mund und deuteten ein sehr diskretes Kopfnicken an.
«Und Silvia?», fragte Katherine, nachdem auch ihr Neffe Orante ihr einen Begrüßungskuss gegeben hatte.
«Sie ist in ihrem Zimmer», sagte Quentin.
«Ich werde ihr helfen. Sicher ist sie sehr nervös.»
***
Liebevoll beobachtete Katherine ihre Nichte von der Tür aus. Silvia war sehr schlank und etwas größer als sie selbst. Bis zu diesem Moment hatte Katherine ihrem Aussehen nie viel Beachtung beigemessen. Silvia war einfach ein sanftes und liebevolles Mädchen gewesen. Und obwohl sie eine hübsche Nase und ebenmäßige Züge besaß, fehlte ihr das gewisse Etwas, das sie in den Augen der Männer begehrenswert gemacht hätte.
Selbst jetzt, wie sie da im weißen Kleid vor ihr stand, mit dem Strauß in der Hand und den Blumen im hochgesteckten Haar, kam es Katherine so vor, als betrachte sie ein Kind. Tatsächlich war Silvia gerade erst neunzehn geworden. War denn sonst niemand der Ansicht, dass das Mädchen eigentlich zu jung war zum Heiraten?
«Tante Katherine!», rief die Braut glücklich, als sie Katherine in der Tür entdeckte.
«Meine liebe Silvia!» Gerührt nahm Katherine ihre Nichte in den Arm.
«Du hast mir so gefehlt.»
«Um nichts in der Welt hätte ich diesen Tag versäumt.»
Silvia lächelte. Obwohl ihre Tante oft sehr unkonventionell war, hatte Silvia sie immer geliebt. Als ihre Mutter gestorben war, hatte sie mit ihrem Bruder eine Zeit lang auf New Fortune gelebt. Sie war erst vierzehn Jahre alt gewesen, erinnerte sich aber noch voller Zärtlichkeit daran, wie Katherine sie jeden Abend zugedeckt hatte und in diesen schwierigen Momenten bei ihr gewesen war. Seither hatte Silvia jeden Sommer ein paar Wochen auf New Fortune bei ihrer Tante und ihren Cousinen verbracht.
«Du siehst wundervoll aus.»
«Danke, Tante.»
«Ich kann es noch gar nicht glauben, dass du heute heiratest. Ich sehe noch das kleine Mädchen vor mir, das so sehr an seinem Bruder hing.»
«Es ist viel Zeit vergangen.»
«So viel nun auch wieder nicht», widersprach Katherine ein wenig wehmütig. «Aber erzähl! Wer ist dieser junge Mann, der mir meine Lieblingsnichte wegnehmen will?»
«Er heißt Jonathan Perelman, er kommt aus Norfolk und arbeitet mit seinem Vater in einem Familienunternehmen.»
«Das weiß ich doch schon. Aber wie ist er so?»
Silvias Gesicht erstrahlte, als sie an den Mann dachte, der in weniger als einer Stunde ihr Ehemann werden würde. «Er ist intelligent, galant, umsichtig. Er ist der beste aller Männer.»
«Liebst du ihn?»
«Wie könnte ich ihn nicht lieben, Tante?», sagte sie lächelnd mit vor Rührung feuchten Augen. «Ich liebe ihn, wie ich noch niemals jemanden geliebt habe. Wenn er mir in die Augen sieht und meine Hand nimmt, fühle ich, wie mein ganzer Körper erzittert. Mein Herz stirbt vor Ungeduld, wenn ich nicht bei ihm bin. Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Ist das vielleicht keine Liebe?»
Katherine lächelte. «Und er? Liebt er dich?»
Die Veränderung in Silvias Gesichtsausdruck verriet, dass sie nie etwas anderes für möglich gehalten hatte.
Katherine erinnerte sich daran, wie sicher sie selbst gewesen war. David war ein bezaubernder, gebildeter und umsichtiger Mann gewesen. Sie hatte gespürt, wie diese blauen Augen ihre Seele berührten, hatte sich gewünscht, jede Sekunde ihres Lebens an der Seite dieses attraktiven und eleganten Mannes zu verbringen. Dafür hatte sie alles hinter sich gelassen. Sie war weggegangen, um ein Leben mit einem vollkommen Fremden zu beginnen. Ihre Nichte war kurz davor, das Gleiche zu tun. Aber wenigstens ging Silvia nicht so weit fort. Norfolk war nur eine Tagesreise von Heaven’s Door entfernt.
«Glaubst du denn, dass er mich vielleicht gar nicht liebt?», fragte Silvia jetzt voller Zweifel. «Dass ein Mann sich nicht in eine Frau wie mich verlieben kann?» Das Glück ihrer Nichte war kurz davor, sich in Trauer und Verzweiflung zu verwandeln.
Katherine sah sie an. Das Mädchen vor ihr hatte eine so schöne und edle Seele. Ihre Stimme war sanft und liebevoll, und gewiss hatte Silvia nie in ihrem Leben Neid verspürt oder jemandem etwas Schlechtes gewünscht.
«Du bist eine wundervolle Frau, Silvia! Lass dir nie etwas anderes einreden», antwortete Katherine
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