Fesseln des Schicksals (German Edition)
Hasses verdrängt worden.
Bevor Katherine antworten konnte, kam Hortensia aus dem Haus. Das Mädchen nahm den Arm, den der alte Thomas ihr bot, um auf das hohe Trittbrett der Kutsche zu steigen. «Ich bin so nervös …», gestand sie. Nachdem sie sich ihrem Vater gegenübergesetzt hatte, spannte sie ihren Schirm auf, um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen.
Vor kurzem war sie vierzehn geworden, aber erst in ein paar Jahren würde sie offiziell in die Gesellschaft eingeführt werden.
«Du bist wunderhübsch», redete David ihr zu. «Du hast überhaupt keinen Grund, nervös zu sein. Ganz bestimmt sind meine Töchter die hübschesten jungen Damen auf dem ganzen Ball.»
Hortensia dankte ihm seine aufmunternden Worte mit einem Lächeln.
«Und Charlotte?», fragte er. Doch eine Antwort war nicht notwendig, denn in diesem Augenblick kam die junge Frau aus dem Haus gerannt.
«Ich komme schon, Papa!»
Mit Schwung stieß Charlotte sich vom Boden ab, setzte ihren Fuß auf das Trittbrett und sprang beinahe in die Kutsche. Dabei ignorierte sie geflissentlich den Sklaven, der ihr den Arm hinhielt. «Es tut mir leid», entschuldigte sie sich und ließ sich auf den Sitz plumpsen. «Ich konnte mein Haarband nicht finden.»
Geduldig hatte Thomas darauf gewartet, dass Charlotte ihren Platz eingenommen und aufgehört hatte herumzuzappeln. Erst jetzt schloss er die Tür der Kalesche. Sekunden später gab David das Startsignal, und die Räder begannen, sich um ihre Achsen zu drehen.
Gerade waren sie in die Ahornallee eingebogen, als Latoya erschien und mit einem länglichen Gegenstand herumfuchtelte. «Miss Charlotte!», rief sie. «Sie haben Ihren Sonnenschirm vergessen!» Rasch lief die Sklavin dem Wagen hinterher.
Eine Dreiviertelstunde später fuhren sie unter dem von Efeu überwucherten Torbogen hindurch. Hier begann Heaven’s Door, die Plantage von Davids Cousin Quentin. Am heutigen Tag sollte die Hochzeit seiner Tochter Silvia gefeiert werden.
Das Haus aus rotem Backstein wirkte, als hätte man es geradewegs aus einer ländlichen Region Englands hierherversetzt. Es war solide gebaut und groß, aber man hatte auf den sonst üblichen klassischen Säulengang und andere Verzierungen verzichtet, sodass das Haus auf angenehme Art bescheiden wirkte.
Der Kutscher der Parrishs zügelte die Pferde und manövrierte langsam an den Fuhrwerken vorbei, die an beiden Seiten des Weges in langen Reihen parkten.
Am Haupteingang nahmen Quentin und sein Sohn Orante die Gäste in Empfang, die nach und nach aus ihren Kutschen stiegen. Geduldig wartete Davids Familie, bis sie an die Reihe kam. Vor ihnen fuhr in einer grünen Kutsche das Ehepaar Burton in Begleitung ihrer beiden Kinder, Robert William, einem dreizehnjährigen Jungen mit dunklem Haar und rundem Gesicht, der von seinem Vater die Leidenschaft fürs Essen geerbt hatte, und Laura, einem blonden, hochmütigen Mädchen, das hinter ihrem hübschen Gesicht einen egoistischen und launischen Charakter verbarg.
Nach den Parrishs kamen die Carmodys. Drei ihrer Söhne begleiteten die Kutsche zu Pferd, der vierte saß seinen Eltern gegenüber. Keiner der schmucken jungen Männer schien die Anwesenheit von Charlotte und Hortensia bemerkt zu haben. Alle hatten nur Augen für Laura Burton, die ihr Haar trotz ihrer fünfzehn Jahre schon hochsteckte und ein langes und ausgeschnittenes Kleid trug, als wäre sie alt genug, um in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Jetzt eilte auch Orante heran, um der sinnlichen jungen Dame mit dem üppigen Dekolleté seinen Arm zu bieten.
Charlotte war wütend. Heute Morgen hatte sie sich noch so hübsch gefühlt. Aber als sie jetzt Laura betrachtete, die, obwohl sie nur ein Jahr älter war, schamlos vor allen mit den Hüften wackelte, war sie sich sicher, dass niemand auf sie achten würde. Und das nur, weil sie ein hochgeschlossenes Kleid anhatte, das oberhalb der Knöchel endete und darunter weiße Strümpfe sehen ließ.
Endlich kam Quentin Parrish auf seinen Cousin zu. «David!» Die beiden Männer umarmten sich herzlich. Dann wandte er sich an Katherine. «Katherine, was für eine Freude. Ich danke dir, dass du gekommen bist. Silvia wird überglücklich sein, dich zu sehen.»
«Danke, Quentin. Um nichts in der Welt hätte ich ihre Hochzeit versäumen mögen. Du weißt, wie gern ich sie habe.»
Quentin lächelte. Er wusste, dass das stimmte. Und dass Katherine ihre selbstauferlegte Zurückgezogenheit für diesen Tag unterbrochen hatte, um bei
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