Fesseln des Schicksals (German Edition)
böse auf sie, und sie konnte seinen kalten Blick kaum ertragen. Gerade wollte sie nachgeben, als sie Hortensia bemerkte, die noch immer ganz blass und erschrocken aussah.
«Niemals», sagte Charlotte und stampfte kräftig auf dem Boden auf.
David kniff die Augen zusammen. Er atmete tief durch und richtete sich auf. «Holt eure Sachen. Wir fahren nach Hause. Quentin, ich bitte dich im Namen meiner Familie um Entschuldigung. Ich weiß nicht, was in Charlotte gefahren ist. Aber ich verspreche dir, dass ich es herausfinde.»
Sein Cousin knetete nervös seine Hände. «Mach dir keine Gedanken, es sind nur Kindereien. Es hat nicht die geringste Bedeutung.»
«Und ob es die hat, Quentin. Es geht nicht, dass eine meiner Töchter sich wie eine Wilde aufführt. Es tut mir leid. Ich bitte dich noch einmal um Entschuldigung, Quentin, und auch dich, Edmond», sagte David und wandte sich Edmond Carmody zu, der seinen Sohn noch immer am Kragen gepackt hielt.
«Beruhige dich doch», antwortete Edmond eilig. «Es sind nur Kinder.»
Aber Edgar war kein Kind mehr. Er war fünfzehn, ein Alter, in dem man nicht mehr mit einem Mädchen raufen durfte, und schon gar nicht in der Öffentlichkeit.
Quentin konnte sehen, wie Carmody die Hand hinter seinem Rücken zur Faust ballte, auch wenn seine Stimme fest und unbesorgt klang. Edmond ahnte oder wusste, was vorgefallen war, dachte Quentin, und er versuchte, das Ereignis um jeden Preis herunterzuspielen. Edgar für seinen Teil wagte nicht einmal, David überhaupt anzusehen.
Den Großteil der missbilligenden Blicke bekam Charlotte zu spüren, die ihren Kopf gesenkt hielt.
Gwendolyn Burton und ihre Tochter Laura genossen das Spektakel aus der ersten Reihe und gaben sich nicht die geringste Mühe, ihre spöttischen Mienen zu verbergen. Silvia hingegen klammerte sich erschrocken an die Hand des Mannes, mit dem sie nun verheiratet war.
Besonders ein Blick stach deutlich unter den anderen hervor. Doktor Steward beobachtete die Geschehnisse schweigend aus dem Hintergrund. Seine durchdringenden Augen waren auf Charlotte geheftet, kein Fünkchen Mitleid lag in ihnen. Katherine hatte schon am Nachmittag bemerkt, wie der Arzt ihre Töchter beobachtete. Keiner von beiden hatte vergessen. Entschlossen stellte sie sich zwischen ihn und Charlotte. Wie damals, als sie Mollys Tochter vor ihm beschützt hatte, trat sie ihm auch jetzt entgegen.
«Charlotte!» Ohne Doktor Steward aus den Augen zu lassen, rief Katherine ihre Tochter. «Eine Lacroix trägt den Kopf immer oben», sagte sie zu ihr auf Französisch.
Als Katherine Lacroix sich bei diesen Worten selbstsicher und herausfordernd aufrichtete, verstummte das Gemurmel. Das spöttische Lächeln auf einigen Gesichtern war plötzlich wie weggewischt. Unmöglich konnte man der Macht widerstehen, die von dieser Frau ausging. Auch Charlotte fühlte die Kraft ihrer Mutter und reckte stolz das Kinn nach oben.
«Charlotte, Hortensia», Katherine streckte ihren Töchtern die Hände hin. «Wir fahren nach Hause.»
Angesichts der Entschlossenheit dieses vierzehnjährigen Mädchens verspürte Quentin plötzlich Bewunderung für seine Nichte. Sie war stur und tollkühn, zweifellos hatte sie den Mut von ihrem Vater geerbt. Quentin war sich sicher, dass sie kein einziges Wort sagen würde. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.
«Mach dir keine Sorgen, Kleine», sagte Quentin liebevoll zu seiner Nichte, während die anderen in der Kutsche Platz nahmen.
«Es tut mir sehr leid», entschuldigte Charlotte sich reumütig. «Ich wollte Silvia nicht das Fest verderben.»
Quentin zwinkerte ihr lächelnd zu. «Bestimmt hatte dieser vorlaute Kerl es verdient. Du und Hortensia könnt zu Besuch kommen, wann immer ihr wollt.»
Bei den freundlichen Worten des Onkels nahmen Hortensias Wangen etwas mehr Farbe an. Ihr Onkel hasste sie nicht. Die beiden Schwestern warfen sich einen überraschten Blick zu.
«Danke, Onkel!», antwortete Charlotte für sie beide.
«Katherine, David, bis bald.»
David runzelte die Stirn und verabschiedete sich mit einer Handbewegung von seinem Cousin.
***
Der Rückweg wurde schweigend zurückgelegt. David war verärgert und sprach während der ganzen Fahrt kein einziges Wort, aber er war gleichzeitig auch stolz auf seine Tochter. Niemand konnte die Parrishs ungestraft beleidigen.
Kaum waren sie auf New Fortune angekommen, wurden Charlotte und Hortensia auf ihr Zimmer geschickt. David und Katherine schlossen sich in der Bibliothek
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