Fesselnde Liebe - Teil 2
Nacken starre, während er schreibt, kann ich manchmal nicht glauben, dass er es ist. Der Mann, dessen Worte mich seit Jahren begleiten, den ich für seine Weitsicht und seinen klaren Verstand bewundere. Er ist auch der Mann, dessen erotischer Schundroman mich wider Willen angemacht hat. Und er ist der Mann, der mir gezeigt hat, was Lust bedeutet. Hingabe ohne Selbstaufgabe. Körperliche Gier, die so schlimm wie Hunger oder Durst ist und auf keine andere Art gestillt werden kann als durch ihn. Seine Berührung. Es ist, als ob wir uns gegenseitig anstecken mit unserer Lust. Ein Blick, ein Lachen, ein Augenzwinkern ... Mehr ist nicht nötig um uns dazu zu bringen, wie Tiere übereinander herzufallen.
Aber er ist auch der Mann, der mich zweifeln lässt – an mir, an uns, an der Liebe. Weil ich sie fürchte. Eigentlich nicht die Liebe, sondern die möglichen Verletzungen, die er mir zufügen kann, weil ich mich selbst so verletzlich gemacht habe. Vertrauen ist ein Wort, aber noch kein Gefühl.
»Ich brauche eine Pause, Kleines. Abreagieren. Möchtest du mich begleiten?«
Grinsend nehme ich die Brille ab. »Du weißt, was passiert, wenn ich dir beim Sport zusehe«, warne ich ihn, und er lacht.
» Wartest du hier auf mich?«
» Eigentlich wäre mir danach, mir ein wenig die Beine zu vertreten.«
Er runzelt die Stirn. »Das können wir später gern gemeinsam machen.«
» Himmel, Adrian. Ich möchte nur durch den Park schlendern, die Sonne genießen und nachdenken. Nichts Schlimmes.«
» Mir ist nicht wohl dabei, dich allein herumlaufen zu lassen. Lass mich doch später einfach mitkommen.«
» Vertraust du mir nicht?«, necke ich ihn, doch er bleibt ernst.
» Das hat nichts mit dir zu tun, Gwen. Hier oben ist es sicher, aber in der Stadt ...«
Ich verdrehe genervt die Augen. »Adrian, meine Mutter hat mich früher in meinem Zimmer eingesperrt, weil sie glaubte, dass mir draußen etwas passieren könnte. Ich war seit Tagen nicht draußen und fühle mich ehrlich gesagt wie in einem Käfig.«
» Ich hatte nicht das Gefühl, dass dir etwas fehlte«, erwidert er mit einem Grinsen und zieht mich an sich. Das warme Gefühl seines Körpers beruhigt mich, trotzdem bin ich wild entschlossen, meinen geplanten Spaziergang zu machen.
» Du machst mich wahnsinnig. Nein, solange wir zusammen sind, fehlt mir nichts. Geh trainieren, ich komme schon zurecht.«
» Bleib hier oben«, sagt er noch mit einer leichten Warnung in der Stimme. Ich nicke gehorsam.
Zehn Minuten später stehe ich im Fahrstuhl nach unten. Der Himmel ist bewölkt, aber es ist nicht kalt und ich habe das dringende Bedürfnis, mir die Beine zu vertreten. Im riesigen Hyde Park, den ich vor allem aus der Perspektive von oben kenne. Der Hintereingang führt direkt ins Grüne, und ich spaziere mit den Händen in den Taschen zwischen alten Bäumen und hohen Büschen hindurch.
Plaudernde Touristen mit Rucksäcken und verliebte Pärchen schlendern an mir vorbei, dann fällt mir jemand auf. Oder etwas. Erst ein diffuses Gefühl, verfolgt oder zumindest beobachtet zu werden, doch wenn ich mich umdrehe, kann ich nichts Verdächtiges erkennen.
Mein Herz klopft schneller, als das Gefühl in einer von hohen Platanen gesäumten kleinen Straße stärker wird. Meine Schritte werden wie von selbst größer und ich schlage den Rückweg ein. Was ist mit mir los? Ich war zwar schon immer ängstlich, aber das hier erinnert mich an meine Kindheit. Wenn ich auf dem Schulweg vor Angst an meinen Nägeln knabberte, weil meine Mutter mich jahrelang mit Horrorszenarien beeinflusst hat. Ständig hat sie mir aus der Zeitung vorgelesen, wenn irgendeinem Kind etwas passiert war. Dauernd hat sie auf Männer gezeigt und mir zugeflüstert, dass ich nicht wissen könnte, was dieser Typ wirklich vorhat, und dass er schreckliche Dinge mit mir tun würde, wenn er mich in die Finger bekäme. Ich habe Jahre gebraucht, um diese Ängste loszuwerden und normal leben zu können, und jetzt sind sie plötzlich wieder da. Als wären sie nie weg gewesen.
Mein Körper reagiert. Ich spüre das Adrenalin in meinem Blut, meine Halsschlagader pocht, meine Finger werden feucht und unter den Achseln bildet sich kalter Schweiß. Eine Panikattacke. Himmel, es ist doch niemand da! Oder doch? Wieder und wieder bleibe ich kurz stehen, um mich umzudrehen. Es dämmert bereits, aber noch ist es hell genug, um gut sehen zu können. Und tatsächlich glaube ich, hinter einem Baum einen dunklen Schatten zu erkennen. Meine
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