Fesselndes Geheimnis
so – konkret.«
»Und wir sind tatsächlich nicht dogmatisch«, fuhr Claire fort. »Bei uns findet jede erotische Spielart Beachtung, hier wird niemanddiskriminiert oder ausgegrenzt. Wie albern, wenn extreme SM-ler Blümchensex verdammen! ›Alles ist bereichernd‹, ist sozusagen unser Wahlspruch. – Uns geht es um das pure erotische Vergnügen. Bei uns tummeln sich Paare, Singlefrauen und Singleherren, und wenn ein Paar D/s ist, dann darf selbstverständlich der Sklave oder die Sklavin nicht ohne Erlaubnis seines ›Besitzers‹ mit anderen rummachen … sollte das doch einmal passieren, gibt es einen genau festgelegten Bestrafungskanon … jemand wie du, Christine, würde bei uns als ›freie Submissive‹ gelten, die ihre Partner selbstständig wählen darf. Ich meine, du hast doch nicht irgendwo einen Herrn, oder?«
Flüchtig dachte ich an Felix. »Nein«, sagte ich, »schon lange nicht mehr.«
»Gut, sehr gut …«
Claire schien noch etwas sagen zu wollen, doch Mara setzte sich zu uns und ihr Erscheinen lenkte Claires Aufmerksamkeit, wie es sich für eine gute Zofe gehörte, wieder auf die Clubbesitzerin. Sie schien bereit, jedem Wink ihrer Gebieterin zu folgen.
»Was ist mit Vincent?«, platzte es aus mir heraus, ungewollt, aber ich hatte die Frage nicht zurückhalten können. Als die beiden Frauen mich leicht befremdet ansahen, stammelte ich erklärend: »Ich mmeine, kommt er heute noch oder …«
Gott, geht es nicht NOCH ein bisschen plumper oder offensichtlicher, Christine?
, schalt ich mich selbst, aber es war zu spät, um meine Worte zurückzunehmen.
Mara Noire nahm einen Schluck Champagner, beugte sich vor, und schaute mich über den Rand des Glases hinweg mit ihren unergründlichen Augen an. Die dunkle erotische Aura, welche sie umgab, wurde beinahe magnetisch. »Du möchtest ihn gern wiedersehen?«
Ich nickte.
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Er ist ein gutaussehender Teufel …« Sie lächelte sphinxenhaft. »Meinen Segen habt ihr, bei dir könnte er seine dominante Ader ausleben – schließlich führen er und ich führen nur eine offene Vanilla-Beziehung.« Sie zwinkerte mir zu. »Ab und an habe ich Sex auf Augenhöhe nämlich ganz gern!«
Wieder spürte ich meine Unerfahrenheit, meine Nichtkenntnis dieser Szene, einer Welt, in der lächelnd alle bekannten Konventionen und Traditionen in kleine Stückchen zerbrochen und pulverisiert wurden … eine Welt, in der Grenzen nur deshalb existierten, umüberschritten zu werden. Ich war hin- und hergerissen, wusste nicht, ob es mir gefiel oder ob ich abgestoßen war.
Ich musste recht betreten dreingeblickt haben, denn Madame Noire strich mir über das Haar und lächelte.
»Süße, es ist alles noch zu neu für dich, hm? Und etwas viel auf einmal.«
Sie war nach Claire nun schon die zweite, die mir das sagte.
»Entspann dich, mach dir nicht zu viele Gedanken und komm erst einmal an. Nachher gibt es eine Party zu deinen Ehren – dafür muss ich noch einiges vorbereiten. Ohne die Chefin geht es manchmal nicht.« Sie grinste und erhob sich wieder. »Claire wird sich weiter um dich kümmern«, sagte sie im Weggehen. »Und es könnte durchaus sein, dass Vincent sich im Haus noch blicken lassen wird. Aber später, glaube ich. Sehr viel später.«
»Du wirst dich auch ohne Vincent amüsieren«, behauptete Claire und setzte sich neben mich. Sie nahm meine Hand und massierte sie sanft.
»Wie lange sind sie schon zusammen?«, fragte ich und schaute Madame Noire nach.
»Meine Lady und Vincent Delano? Oh, noch nicht allzu lange. Warte mal … er tauchte das erste Mal auf, als wir gerade dabei waren, unsere Zelte in Antwerpen abzubrechen. Dann war er eine Weile fort und kam vor ein paar Monaten wieder. Seitdem intensiver.«
Claires massierende Hand bewegte sich wohltuend über meinen Unterarm, und dann erreichten ihre Finger meinen Ellbogen. Ihr Daumen suchte einen bestimmten Punkt und drückte fest zu. Mhmm … sie hatte ihn auf Anhieb gefunden: meinen Schmerzpunkt. Wenn man ihn lange und intensiv stimulierte, löste das ein fast schwebendes Gefühl aus. Doch so weit ließ es Claire, die genau Bescheid wusste, nicht kommen. Sie reizte mich nur, bis ich zu zappeln anfing.
»Genug«, grinste sie, »Ich wollte dir ja noch die Räumlichkeiten zeigen.« Ich reagierte mit einem wohligen Seufzen, was Zustimmung ausdrücken sollte, benötigte aber einen Moment, um mich aus der angenehmen Zweisamkeit zu reißen.
Die Atmosphäre in »La Belle Folie«
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