Fesselndes Geheimnis
auch hier im Dienst sein zu müssen, Claire?« Ich stellte die unverfänglichste Frage, die mir einfiel.
»Oh, ich muss ja gar nicht. Entschuldige, es hat mich einfach nur – beschäftigt. Manchmal kann ich einfach nicht aufhören, mir über Fälle Gedanken zu machen. Ist wohl eine Art Berufskrankheit …«
»Hmm … ich verstehe.« Ich strich ihr über die prächtigen roten Haare, genoss das seidige Gefühl unter meinen Fingern und wünschte mir einen Moment lang, dass mich Mark nicht ausdrücklich vor der Polizei gewarnt hatte. Ein widersinniger Wunsch. Trotzdem hätte ich mich Claire gerne anvertraut. Es hätte so Vieles einfacher gemacht.
Sie drehte ihr Gesicht zu meinem und unser beider Blicke tauchten tief und zärtlich ineinander. Jetzt war Claire es, die mir die Haare sacht aus der Stirn strich. Näher und näher neigten wir uns zueinander, und ich schloss die Augen unwillkürlich, als ihre Lippen die meinen berührten. Es war das erste Mal, dass eine Frau mich küsste, und zu meinem eigenen Erstaunen erwiderte ich den Kuss zungenfertig und mit einem warmen Pulsieren echten Gefühls.
Wir seufzten beide leise, als wir uns wieder voneinander lösten. Claires grüne Augen wirkten auf einmal wie die einer Katze, als sie mich von der Seite anschaute.
»Wie lange bist du schon bei der Polizei von Ostende?«, nahm ich den Faden unserer Unterhaltung wieder auf.
»Noch nicht so lange. Ein Jahr und drei Monate, glaub ich.« Sie warf einen eher beiläufigen Blick auf ihre diamantbesetzte Uhr und sprang auf: »Oh, es wird Zeit! Du solltest dich noch rasch frisch machen, Christine, gleich stehst du im Mittelpunkt.« Sie lachte mich offen an, beinahe das Äquivalent zu einem Auslachen, bevor sie Richtung Bad deutete und den Raum verließ.
Miststück!
Ich stand auf und betrat den hübschen, blau gekachelten Toilettenraum.
Wie praktisch für La Belle Folie, eine Ordnungshüterin als Mitglied zu haben, noch dazu eine, die in ihrer Freizeit Zofe der Chefin ist … so war man immer vorgewarnt und wurde von einer Razzia nie eiskalt erwischt
.
Ein wohlklingender Gong ertönte, als ich mir gerade die Lippen nachgezogen hatte. Schnell steckte ich mir noch mein schulterlanges Haar hoch, dann eilte ich in den Hauptraum zurück.
Blonde Haare an Marks Kleidung
, ging es mir noch ergrimmt durch den Kopf,
ach ja? Ich bin mir sicher, dass ich noch mehr forensische Spuren hinterlassen habe. Und wenn schon … Gleich morgen würde ich mich von den Schuhen und dem Kleid trennen, das ich an dem Tattag getragen hatte
. Energisch stöckelte ich durch den Flur, der von der Toilette zum runden Saal von »La Belle Folie« führte.
Sekunden später richtete sich bei meinem Eintreten von irgendwo oben ein goldfarbener Lichtkegel auf mich, fing mich ein und begleitete jeden meiner Schritte. Einen Moment lang war ich geblendet und versucht, schützend meine Hände zu heben, dann gewöhnten sich meine Augen an das Licht – und den Kontrast. Es gelang mir sogar, die Personen und Geschehnisse außerhalb meines hellen »Präsentiertellers« zu sehen. Mara Noire, die von vier halbnackten Männern mit eng sitzenden Ledermasken in einer prachtvollen, offenen Sänfte getragen wurde. Sie hatte sich umgezogen, trug jetzt ein körperbetontes schwarzes Lackkleid. Und mit dem Glanz des Materials um die Wette schimmerten zahlreiche Diamanten: Ringe an den Fingern, ein Diadem im Haar, ein schwerer tropfenförmiger Anhänger in ihrem großzügigen Dekolleté. Ob die Steine echt waren?
Dunkle, exotische Rhythmen erklangen leise im Hintergrund, unaufdringlich aber doch prägend. Die anwesenden Gäste klatschten mir wieder Beifall, als ich wie von Außen gesteuert auf die Sänfte zuschritt. Bereitwillig gaben sie eine Gasse frei.
Madame Noire schnalzte mit der Zunge. Die Sänfte hielt an, und sie streckte ihre Hand aus. »Komm an meine Seite, Christine! Ich heiße dich in aller Form bei uns willkommen. – Alain!«
Alain, der dienstbereite Mann im Netzhemd, eilte herbei und kauerte zu meinem Erstaunen und leichten Erschrecken vor der Sänfte nieder, beugte den Rücken, um so eine Stufe für mich zu bilden, damit ich leichter hinaufsteigen konnte.
»Benutze Alain – er genießt es, glaub mir!« Maras perlendes Lachen begleitete diese Worte, und alle anderen kicherten mit.
Und so stieg ich mit meinen hohen, spitzen Absätzen auf Alain. Eine Sekunde lang spürte ich einen Hauch davon, was eine dominante Frau empfinden mochte. Den Gunstbeweis und die
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