Festung der Luegen
flog der Abend dahin. Sie tanzten, bis ihre Beine nicht mehr mitspielten, suchten sich eine ruhige Ecke für ein Gespräch, tanzten wieder. Sie war auf alles, was ihn betraf, äußerst neugierig, besonders seine jüngsten Abenteuer. Er erzählte ihr von seiner Niederlage auf Mara, und wie er die Situation auf Achernar gerettet hatte, und auch von seinen Siegen auf New Aragon.
Er achtete darauf, nichts zu verraten, was eine Spionin - oder auch nur eine interessierte Bürgerin -nicht ebenso aus anderen Quellen erfahren konnte, und lieferte ihr keine aktuellen Informationen von strategischem Wert. Trotzdem behagte es ihm, mit ihr zu reden. Sie zeigte ein eifriges Interesse an seinen Kampfgeschichten und Abenteuern. Auch wenn sie es nicht aussprach, er bekam doch den Eindruck, dass sie ein beschütztes Leben führte - möglicherweise zu beschützt für ihren Geschmack.
Er stellte sie sich vor, verwöhnt und verhätschelt, ohne die Möglichkeit, von der Würze zu naschen, die das Leben lebenswert machte - und jetzt war sie zum ersten Mal für sich selbst verantwortlich. Wie weit könnte jemand wie sie gehen, um Gefahr und Intrigen zu erleben? Er hatte Soldaten wie sie gekannt - kleinere Adlige, von den besten Lehrern im Kampfsport ausgebildet, durch hunderte Stunden im Mechsimulator erfahren. Und doch ohne eine Vorstellung von dem, was wirkliche Konfrontation war: echte Gefahr. Er wusste, dass man diese Soldaten nicht aus den Augen lassen durfte, denn irgendwann kam für jeden von ihnen der Moment, wenn sie erkannten, dass sie sich viel zu weit vorgewagt hatten, und dass es diesmal keine Simulation war, keine Fantasie, kein Spiel. Elsa erinnerte ihn an diese Offiziere, an jemanden, der gerade erst anfing zu begreifen, in welche Lage sie sich manövriert hatte.
Obwohl er ihr bereitwillig von seiner Familie und seiner Herkunft erzählt hatte, erfuhr er im Gegenzug kaum etwas über sie. Das störte ihn. Nicht, dass er diese Zurückhaltung nicht schon erwartet hätte. Soldaten waren so ziemlich die Einzigen in Eriks tagtäglichem Leben, die die unverbrämte Wahrheit sagten, und das auch nur, weil ihnen manchmal keine andere Wahl blieb. Was er von Adligen, Politikern und Diplomaten zu hören bekam, war grundsätzlich mehr oder weniger Fassade. Daran war er gewöhnt.
Es war die Art ihres Ausweichens, die ihn gleichzeitig faszinierte und ärgerte. Es war nicht das berechnende Ausweichen von jemandem, der sich dadurch einen Vorteil erhoffte, dass er die Wahrheit verschleierte. Es war das Zurückschrecken eines Menschen, der sc hm erzliche Gefühle verbarg. Trotz ihres polierten Äußeren war sie überaus menschlich, äußerst verletzlich. Er spürte den Wunsch, sie zu beschützen, aber er hatte keine Ahnung, wie. Er wollte mehr über sie erfahren. Alles.
Plötzlich ertappte er sich dabei, dass er ihr von den Schwierigkeiten mit seinem Onkel erzählte. Sie hatte es ihm nicht geschickt entlockt, es passierte einfach. Er machte sich in Gedanken selbst Vorwürfe, noch während er erzählte. Seine Familienprobleme waren von strategischem und politischem Wert. Allermindestens konnten sie den Feind beruhigen und ermutigen.
Trotzdem war es eine Befreiung, war es erregend, darüber zu sprechen - möglicherweise nicht trotz der Gefahr, sondern gerade wegen ihr - und das umso mehr, weil er wusste, wie wütend sein Onkel gewesen wäre, hätte er es gewusst. Aber er war nicht hier, konnte ihm keine Befehle erteilen, und Erik brauchte eine Vertraute.
Er erhielt wenig Gegenleistung. Sie blieb verschlossen, was ihre Familie und ihre persönliche Vorgeschichte betraf. Trotzdem verband sie etwas. Sie hatten etwas gemeinsam, selbst wenn es unausgesprochen blieb. In seinem Innersten wusste er, dass sie ihm sehr ähnlich war.
Später wurde die Musik schneller und sie tanzten, bis sie einander erschöpft und lachend in die Arme sanken.
Ihre Lippen fanden die seinen - und er war verloren. Als er wieder zu Sinnen kam, war er sich plötzlich bewusst, wie viele Menschen sie umgaben. Er wollte sie mit niemandem teilen.
Sie fühlte seine Besorgnis, nahm ihn bei der Hand. »Komm mit. Ich weiß, wo wir allein sein können.«
Ein Anflug von Schuldgefühl stach ihn, sein Pflichtgefühl meldete sich. »Kinston hat gesagt, er habe Leute, die ich kennen lernen soll.«
Sie drückte sich an seine Brust und schaute zu ihm hoch. »Es ist noch sehr früh für eine Gelegenheit wie diese. Die wirklichen Geschäfte finden erst kurz vor Morgengrauen statt, wenn
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