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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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Laub im Unterholz ergossen und sein silbernes Kettenhemd verklebt hatte, dunkles, zu rissigen Lachen geronnenes Blut, die ihn wie ein Bart umgaben. Seine weit aufgerissenen Augen waren auf den Himmel gerichtet. Und in der leichten Brise flatterten einzelne Strähnen seines endlos langen und hauchfeinen schwarzen Haars über seiner Stirn.
    Rhiannon wimmerte erneut und zappelte verzweifelt mit ihren kleinen Armen und Beinen. Lliane packte sie mit einer instinktiven Geste und legte sie an die Brust. Das kleine Mädchen begann sofort gierig zu trinken, mit großen Schlucken und einer Fülle kleiner Gurgellaute, die seiner Mutter ein Lächeln entlockten. Dann schlummerte sie während des Stillens ein, und Lliane verharrte dort, nackt, wie betäubt, während ringsum im Wald wieder Geräusche laut wurden. Das unbesorgte Gezwitscher der Vögel, das raue Krächzen der Raben und das sanfte Rascheln der Blätter im Wind. Das Leben ging weiter, unberührt von dem Drama, das sich im Nebel abgespielt hatte.
    Wie viel Zeit mochte so vergangen sein, bevor Lliane auf ihre Hände hinabblickte, befleckt vom Blut ihres Bruders, mit dem sie auch den kleinen Körper ihrer Tochter besudelt hatte? Mit verzerrter Miene erhob sie sich, ihre Glieder waren steif, die Haut brannte von den tausend Schürfwunden, die sie übersäten. Rhiannon, die ebenso nackt war wie sie selbst, fest an sich gepresst, lief sie durch die milde Wärme des sonnendurchfluteten Waldes. In einem Dickicht aus Eichenschösslingen schöpfte sie Wasser, um das Blut von ihrer beider Haut abzuwaschen, aber nicht genug, um zu trinken. Dort, im Schatten der großen Bäume, wuchs ein Gewirr aus jungen, spindeldürren Trieben, Gestrüpp und Sträuchern, Heckenrosen oder Holunder, die sich unter der Last süßer Beeren bogen und deren Früchte sie im Vorbeilaufen pflückte. Zwischen dem düsteren Hochwald aus Tannen und den hohen, säulenartigen Buchen, deren graue, glatte Stämme durch das zarte Grün ihrer frischen Blätter aufgehellt wurden, schien sich der Wald bis ins Unendliche zu erstrecken. Unter den Füßen der Elfe überwucherten mehr und mehr dichte Grasbüschel den von Zweigen und welkem Laub bedeckten Boden, als wollten sie an der majestätischen Pracht des großen Waldes kurz vor der Sommersonnenwende teilhaben. Doch der Sommer würde sich bald dem Ende zuneigen. Langsam würde die Sonne ihre Kraft verlieren, die Blätter würden sich gelb färben, all dieses frisch sprießende Gras würde im Herbst struppig und trocken, und dann käme die Kälte ... Der Wald wäre auf die Dauer kein Zufluchtsort.
    Unwillkürlich hatte die Königin ihre spitz zulaufenden Ohren in Richtung eines entfernten Plätscherns ausgerichtet, und ihre Schritte führten sie zu einer Quelle, die als schwaches Rinnsal aus einem Haufen hoher, moosbewachsener Felsen sickerte. Fast überrascht entdeckte sie an ihrem Fuß einen klaren kleinen Tümpel, dessen Grund mit moderndem Laub bedeckt war. Sie tranken dort und badeten, ohne Schlamm aufzuwühlen, danach schlummerten sie auf einem Felsen ein, der von orangefarbenem Licht übergossen war, bis Rhiannon erneut zu weinen anfing und nach einer Mahlzeit verlangte.
    Die Sonne ging allmählich unter. Die milde Wärme des Tages ließ nach, und die Schatten wurden immer länger. Rhiannon wurde unruhig und stieß schwache Klagelaute aus, und Lliane drückte sie fester an sich. Ihr kleiner Körper war bereits eisig kalt. Die Elfen litten nicht unter der Kälte, aber der menschliche Anteil des Kindes würde ihm nicht erlauben, so ohne Wärme in den Wäldern zu überleben. Sie musste Kleider auftreiben, eine Hütte und auch Waffen, um sich gegen die Angriffe wilder Tiere zu verteidigen.
    Lliane dachte wieder an ihren Bruder Blorian und war bedrückt bei der Vorstellung, dass sie ihn einfach so zurückgelassen hatte, direkt auf der Erde, ohne ihm ein Podest aus Zweigen zu errichten, um seinen Körper vor Parasiten und Verwesung zu schützen. Doch Blorian war tot, und allein ihre Tochter zählte, die so klein, so schwach, so zerbrechlich war und zitternd in ihren Armen lag. Sie durfte nicht sterben. Der bloße Gedanke daran war ihr ein Gräuel und erfüllte sie mit Entsetzen. Und wieder hatte sie einen Kloß im Hals, und sie umklammerte Rhiannons kleinen Körper.
    »Weine nicht, meine kleine Fee, mein wildes Grashälmchen ... Wir werden eine schöne Hütte finden für die Nacht, du wirst sehen ...«
    Sie konnten nicht weiter hier, nackt wie Tiere, im Wald leben.

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