Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
das den Boden bedeckte, gefror. Seit dem Tag, an dem sie Morgause reglos in ihrer Wiege gefunden hatte, mit blau angelaufenem Gesicht und den Körper gebeutelt von Kälteschaudern, schlief Igraine mit ihrer Tochter in dem mächtigen bretonischen Wandbett und schmiegte sich ganz dicht an sie, um sie zu wärmen. Das hieß, sie schlief nicht... Sie waren dort erst seit einigen Wochen, doch ihr war bereits jede Lebenslust abhanden gekommen, und wie Gorlois selbst, wie vermutlich all die Männer der Garnison, hatte sie bisweilen schon den Eindruck, tot zu sein.
Als Illtud just an diesem Morgen eingetroffen war, begleitet von einer ganzen Gesandtschaft Mönche, die vor der Armee des Pendragon flohen, war die Königin ihm mit Morgause auf dem Arm entgegengelaufen. Die Gegenwart des Abtes innerhalb der Festungsmauern erfüllte ihr Herz mit einer kindlichen Freude, als sei er gekommen, sie zu erlösen, und würde ihrem Büßerdasein ein Ende bereiten. Er hatte sie alle beide gesegnet, dann hatte er sie in einer spontanen Anwandlung fest in die Arme geschlossen, wie ein Überlebender, der nach einem Schiffbruch die Seinen wiederfindet. Aber war das nicht auch genau ihre Situation?
Dann hatte es zu schneien begonnen, und ihr überschwänglicher Austausch war jäh unterbrochen worden, so dass sie sich in dieses elende Zimmer hier geflüchtet hatten, in dem es keinem von ihnen gelang, wieder warm zu werden, trotz des qualmenden, knisternden Feuers, dessen Holz allerdings zu feucht war und das daher im Kamin mehr Rauch als Hitze verströmte.
Plötzlich strampelte Morgause in ihrer Wiege und begann zu weinen. Igraine stand auf und stürzte zu ihr hin, ohne auch nur daran zu denken, sich zu bekreuzigen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als sie sah, wie blass ihr Kind war, und sie drückte ihre Lippen auf dessen eisige kleine Wange.
»Sie wird sterben, wenn ich hier bleibe«, bemerkte sie, während sie die Kleine mit ihrem Pelzmantel zudeckte.
Der Abt schlug bedächtig das Kreuzzeichen und erhob sich schweigend. Während er sich in gewohnter Manier seinen braunen Bart glatt strich, trat er vor den Kamin hin und wendete die Holzscheite mit der Fußspitze, wobei er weiterhin stumm blieb, bis die Amme, die beim Geschrei des Kindes herbeigeeilt war, sich hingesetzt hatte zum Stillen.
»Ich habe unablässig den Herrn befragt«, erklärte er, als Igraine sich schließlich zu ihm gesellte. »All diese Schicksalsschläge, die wir erlitten haben ... jahrelange Bemühungen, die binnen weniger Monate zunichte gemacht wurden. Es ist, als hätte Er uns im Stich gelassen. Als stellte Er unseren Glauben auf die Probe ...«
Igraine war ergriffen von Illtuds bekümmerter Miene. Sein Blick, der für gewöhnlich so voller Leben war, war trüb vor Müdigkeit, und der ganze Himmel schien auf seinen Schultern zu lasten.
»Uther Pendragon hat Loth eingenommen«, fuhr er fort, »aber ich nehme an, dass du das bereits wusstest... Der Regent hat ausnahmsweise einmal Recht gehabt. Wenn ihr nicht alle beide von dort geflohen wäret, befändet ihr euch heute in seinen Händen, und alles wäre verloren.«
Igraine unterdrückte ein spöttisches Grinsen. Aber mein Vater, es ist bereits alles verloren ...
»Er ist wie der Wind, der über die Heide fegt«, murmelte er, die Augen gedankenverloren aufs Feuer gerichtet. »Seine Siege haben einen übernatürlichen Anstrich, und mittlerweile wagt es keiner mehr, sich ihm zu widersetzen. Ich weiß nicht, was ihn noch aufhalten könnte.«
Er hob den Blick und sah sie fragend an, doch sie erwiderte nichts. Aus den Augen des frommen Mannes war Furcht zu lesen. Ein von Aberglauben gespeister Schrecken, der sie an den verstörten Ausdruck Gorlois’ und all derjenigen erinnerte, die ihm bis in dieses Exil am Ende der Welt gefolgt waren. Aber es lag auch eine Frage darin, eine unausgesprochene Bitte, immer dieselbe, auf die sie sich weigerte zu antworten. Igraine zögerte einen Moment, dann ergriff sie Illtuds Hände, um ihn zu zwingen, ihr ins Gesicht zu schauen.
»Nichts kann ihn aufhalten, mein Vater ... Das ist nicht mehr einfach nur Uther, das wisst Ihr genau. Er ist ein anderer geworden ... eine Art...«
Sie hielt inne, aber der Abt beendete den Satz, den sie nicht auszusprechen wagte.
»Eine Art Gott, nicht wahr? Das denkst auch du, nicht?«
Morgause nieste ganz unvermittelt, und zwar kräftig, was der Königin erlaubte, der Frage auszuweichen, um der Amme ihre Tochter abzunehmen und sie in ihre Arme zu
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