Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
Wetters an den Strand und Eva wollte anscheinend ganz in die französische Kultur eintauchen und traf sich mit Elisabeth. Wahrscheinlich tauschten sie Kochrezepte oder Strickanleitungen aus. Bei diesem Gedanken musste Manni unwillkürlich grinsen. Er zog sich seine Jogginghose an, holte sich ein paar Bier aus dem Kühlschrank, zündete sich eine Kippe an und machte es sich im Liegestuhl bequem. So hatte er sich den Urlaub vorgestellt: endlich mal alle weg. Die Grillen zirpten.
Das Wetter, das war wirklich unmöglich. Er war ja nicht empfindlich, aber er begann, mit nacktem Oberkörper zu frieren. Dabei war es schon fast Ende Juli. Es war diesig und bewölkt und um die 20 Grad. Na ja, bloß nicht die Laune verderben lassen. Manni strich sich genüsslich über die Plauze und öffnete sein zweites Bier, als eine französische Familie vorbeikam. Als sie Manni sah, verstummten Mutter, Vater und zwei Kinder glatt in ihrem Singsang und schauten ihn an. Wie ein Marsmensch, fand Manni, wurde er gemustert. Aber es schmeichelte ihm, dass sie bei seinem Anblick verstummten. Das war doch was! Er öffnete sein viertes Bier, als zwei junge Mädchen in extrem kurzen Hosen und knappen Bikini-Oberteilen vorbeischlenderten. Wow, die sahen einfach toll aus! In Deutschland hätte er jetzt mit seinen Kumpels einmal kräftig durch die Zähne gepfiffen. Warum nicht auch hier? Und Manni pfiff. Die Mädchen schauten ihn entsetzt an. Er lächelte ihnen zu, auch sie verstummten, fassten sich bei der Hand und eilten schleunigst davon. Was war denn mit denen los? So alt war er doch auch noch nicht, dass sie denken müssten, Dracula persönlich getroffen zu haben. Leicht verärgert öffnete er das fünfte Bier und verspürte einen gewissen angenehmen Drang, sich zu entleeren. Er hatte wirklich keine Lust, jetzt den ganzen Weg bis zu den Sanitäranlagen auf sich zu nehmen. Und dort noch mehr Franzosen zu treffen. Warum auch, wenn’s hier Bäume gab. Manni brauchte nur ein paar Schritte zu tun und konnte bequem gegen einen Baum pinkeln. Was war das wohl, eine Kiefer? Fünf Bier waren schon eine Menge Flüssigkeit, nicht umsonst hieß das auch »eine Stange wegtragen«. Manni gefiel dieser Ausdruck. Es dauerte eine Weile, und dass im Hintergrund ein paar Leute vorbeigingen, die wieder alle verstummten, störte ihn nicht weiter. Schließlich war er es gewohnt, dass die Leute diskret wegschauten, wenn sich einer auf der Straße in einer Ecke oder an einem Baum entleerte. Das war ja mehr als menschlich. Manni schaute nicht zurück, sondern konzentrierte sich auf seinen Strahl. Er schloss seinen Reißverschluss und machte es sich erneut in seinem Stühlchen bequem. Jetzt kam sogar die Sonne etwas heraus. Zeit für ein kleines Nickerchen. So sah Urlaub aus!
Manni schnarchte ein wenig, als er unsanft von der Campingleitung geweckt wurde. Sie redeten auf ihn ein, diesmal klang der Singsang nicht mehr ganz so freundlich, sondern trug leicht aggressive Untertöne. Was war denn jetzt schon wieder los?
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Was in Deutschland vielerorts als »normal« angesehen wird, ist in Frankreich als absolutes Proletentum verschrien: Jogginghosen trägt man nur zum Sport, sonst nicht. Natürlich gibt es auch in Frankreich Proleten. Wer vormittags oder mittags (unabhängig vom Essen) Alkohol trinkt, gilt als Alkoholiker. Manni ist für die Franzosen ein recht ekliger Anblick – abstoßender noch, als es uns erscheinen mag: dicker Bierbauch, Jogginghose, Dosenbier. DasKlischee des modernen deutschen Neandertalers. Minderjährigen Mädchen in dieser Situation nachzupfeifen, erscheint als gerade zu pervers. Doch das eigentliche »Verbrechen«, weshalb die Campingleitung auf den Plan gerufen wurde, ist, dass Manni an einem Baum seine Duftmarke hinterlassen hat. Egal ob auf dem Campingplatz oder mitten im Wald, ob an einen Zaun oder gegen eine Mauer oder eine Häuserwand: Franzosenpinkeln nicht einfach irgendwohin. Der Weg zur Toilette muss auf sich genommen werden (außer man ist ganz allein auf weiter Flur in der Natur, dann würde eventuell auch ein Franzose – unwillig – gegen seine Prinzipien verstoßen). In Städten darf man meist Toiletten von Restaurants und Cafés benutzen, wenn man vorher freundlich fragt. Ein entscheidender Unterschied in der Sprache ist, dass Franzosen nicht sagen »Ich muss mal«, sondern » J’ai envie de faire pipi «, was so viel heißt wie »Ich habe Lust, Pippi zu machen«. Der körperliche Drang ist
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