Fettnaepfchenfuehrer Frankreich
wie gut es ihr hier ging und wie dankbar Paula für all das war. Sie fand gleich gegenüber vom Park einen wunderschönen Teesalon und gönnte sich eine große chocolat chaud . Als sie bezahlen wollte, antwortete der Kellner auf Englisch und Paula war enttäuscht. Sie gab sich doch alle Mühe und fand, dass man ihren deutschen Akzent eigentlich kaum noch hörte. Dafür ließ sie wenig Trinkgeld zurück und beeilte sich, aus dem Café zu kommen. Sie freute sich jetzt riesig auf ihren ersten französischen Film.
Das Kino war winzig, aber alle Stühle hatten einen wunderschönen dunkelroten Samtüberzug. Der Vorhang fiel mächtig und schwer auf die Bühne. Kaum saß sie auf ihrem Platz, wurde es auch schon dunkel. Eine kleine ältere Dame saß eine Reihe vor ihr. Sonst hatte niemand den Weg hierher gefunden. Für diese Anzahl würde in Deutschland wohl kaum eine Leinwand bespielt. Aber so war das eben im Land des Films. Und Paula fühlte sich pudelwohl in diesem Universum, der Welt in der Welt. Sie beschloss, ab jetzt viel öfter ins Kino zu gehen. Und es tat gar nicht weh alleine. Als die Musik einsetzte, war sie wie in Trance. Wunderschöne Schwarz-Weiß-Bilder, kunstvolle Kameraeinstellungen und ausdrucksstarke Gesichter. Aber: kein Ton! Oh je, deshalb nur diese alte Dame und sie. Sie war in einem Stummfilm gelandet. Der erste französische Film und dann gleich stumm. Paula zwang sich, das alles mit Humor zu nehmen und das Schauspiel zu genießen, das es in dieser Form heute gar nicht mehr gab. Als der Film zu Ende war, schnarchte es laut aus der Reihe vor ihr, und Paula schlich sich leise aus dem warmen samtigen Saal. Draußen wurde es inzwischen dämmrig, ein laues Windchen wehte und sie spazierte beflügelt zur nächsten Metrostation. Der erste Schritt in die Filmwelt war getan! Paula wusste jetzt, dass Jean Epstein ein bedeutender Stummfilmregisseur war. Und sie würde sogar ein wenig mitreden können, wenn auf der nächsten Fete wieder alle nur übers Kino sprachen.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Parkanlagen werden in Paris mit einer besonders aufwendigen Hingabe und Pflege bedacht und daher gezielt vor eventuellen Beschädigungen geschützt. Es ist deshalb grundsätzlich verboten, die Wiesen für Freizeittätigkeiten zu nutzen. Weder für Picknicke noch für Mittagsschläfchen, Zwiegespräche oder spielende Hunde. Deshalb gibt es unzählige Stühle und Bänke in den Parks, die die Liegeflächen ersetzen sollen. Um kontinuierlich darauf zu achten, dass das auch geschieht, sind täglich mehrere Parkwächter mit Trillerpfeifen im Einsatz. Sie haben die undankbare Aufgabe, all den Touristen, die diese Regel natürlich nicht kennen, hinterherzupfeifen und sie dazu zu bewegen, ihren gemütlichen Wiesenplatz zu verlassen. So wie Paula.
Wer in einem Café am Jardin du Luxembourg einkehrt, darf sich nicht wundern, wenn hier mehrheitlich Englisch mit den Gästen gesprochen wird. In einer der touristischsten Ecken von ganz Paris sind die Kellner vor allem eins: schnell und genervt. Da ist es vollkommen egal, ob Mademoiselle gut oder sogar besser Französisch spricht. Sie wird allein aufgrund ihres Äußeren als Touristin wahrgenommen und entsprechend behandelt.
Auch dass Paula an einem Samstagnachmittag in einem Stummfilm gelandet ist, überrascht keineswegs. Denn in Frankreich zeigen viele kleine Programmkinos regelmäßig, insbesondere nachmittags am Wochenende, Retrospektiven von wichtigen französischen und internationalen Regisseuren. Das entspricht dem goût (Geschmack) einer Nation, die mehr will als die aktuellen Blockbuster und Filmfestivalgewinner. Die Kinos können sich ein so exquisites Programm jedoch nur leisten, weil der Staat diesen Kultursektor großzügig unterstützt. Paulas Kinobesuch ist also nicht schiefgelaufen, sondern zeigt, wie vielfältig und speziell dieser Bereich in Frankreich sein will und kann.
Was können Sie besser machen?
Die unschöne Situation im Park hätte sich Paula ersparen können, wenn sie aufmerksam und in Ruhe das Drumherum wahrgenommen hätte. Da sie aber in Gedanken versunken war, ist ihr das kleine Hinweisschild einfach nicht aufgefallen. Unabhängig davon hätte sie natürlich trotzdem bemerken können, dass niemand außer ihr auf der Wiese lag und alle anderen sich auf den bereitstehenden Stühlen und Bänken eingerichtet hatten. Da sie es aber aus Deutschland gewohnt ist, jede Wiese in einem öffentlichen Park nutzen zu können, kam sie nicht auf die Idee, dass
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