Fettnaepfchenfuehrer Italien
– damit möglichst oft hohe Mietpreise anfallen...
Die Tram fuhr in der Mitte zwischen den Spuren einer Ausfallstraße. Draußen veränderte sich die Gegend: Die Häuser wurden immer größer und kantiger. Drinnen in der Bahn wurde es voller und voller. Ein buntes Menschengemisch drängte sich: pakistanische Blumenhändler mit Rosensträußen, eine afrikanische Mutter mit ihrem Kind, einige Asiaten und ein paar italienische Jungs, die vom Fußballspiel kamen, wie man an ihren verschmutzten und verschwitzten Trainingsanzügen erkennen konnte – und an dem Ball, den sie in Händen hielten. Franziska lauschte dem Sprachen- und Stimmengewirr, verstand aber nicht viel.
»Warst Du hier draußen schon mal?« fragte Laura.
»Nein, bisher nicht.«
»Das ist ganz anders als in Deinem schicken San Giovanni«, sagte Laura, die früher eine Liebschaft in Rom hatte, ein Urlaubsflirt, aus dem mehr wurde. Sie kam danach öfter nach Rom und blieb schließlich für ihr Studium. Sie kannte sich folglich gut aus.
»So chic finde ich mein Viertel gar nicht«, sagte Franziska, für die als Mädchen vom Land eher so etwas wie Berlin Mitte mit seinen stylischen Kneipen als chic galt.
»Rom ist halt nicht Hamburg oder Berlin«, sagte Laura. »Ist ja auch gut so.«
Dann erzählte Laura von ihrer Tante, die in Hamburg wohnte, und von ihrer Zeit in Köln, wo sie ein Praktikum bei einer Filmfirma gemacht hatte. Laura war Franziska sehr sympathisch; wie viele nette Menschen sie doch in der kurzen Zeit, seit sie in Rom war, kennengelernt hatte. Hannah, ein weiteres Mädchen aus ihrem Kurs, Reiner, ein deutscher Erasmusstudent, Gulio, ein italienischer Journalist, mit dem sie im Supermarkt ins Gespräch gekommen war, Mara, eine Freundin ihrer Mitbewohnerin und natürlich ihre Mitbewohnerinnen. »Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl«, eine Textzeile von Herbert Grönemeyer kam ihr in den Sinn. Wie Recht er doch hatte.
»Mensch, wir müssen aussteigen!« sagte Laura plötzlich, mitten im Gespräch, nachdem sie einen Autohändler draußen entdeckt hatte und damit den Punkt, an dem sie sich immer orientierte.
»Schnell, sonst wird’s knapp.«
»Ich komme.«
Laura und Franziska drängten sich durch die volle Bahn. »Entschuldigung!« sagte Franziska und merkte nicht, dass sie deutsch sprach.
Ein italienisches Ehepaar schüttelte demonstrativ mit dem Kopf, als sich die zwei Frauen an ihm vorbei drückten, die Frau mit ihren hochtoupierten Haaren und dem aufdringlichen Parfüm rollte dazu noch mit den Augen. ›Immer diese Touristen‹, schien sie damit auszudrücken. Franziska und Laura merkten davon freilich nichts, sie waren damit beschäftigt, noch rechtzeitig zum Ausgang zu kommen und schafften es gerade noch.
»Wir müssen jetzt nur noch hier runtergehen und dann rechts, da ist es.« Laura zeigte auf eine abfällige Straße.
»Das wäre geschafft«, sagte Franziska. »Hoffentlich wurde mir in dem Gedränge nicht wieder etwas geklaut.«
»Ach, Quatsch, einmal Pech am Tag reicht!« Laura ging voran und grinste.
Was ist diesmal schief gelaufen?
Italiener haben grundsätzlich – freundlich ausgedrückt – keinen Hang zur Eile. Was sie tun, tun sie langsam und mit Genuss, außer, wenn es ums Schimpfen geht. Das hat auch Konsequenzen für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Üblicherweise stehen Italiener bereits an der Haltestelle vor ihrem Endziel auf – auch, wenn sie dann ein paar Minuten stehen müssen. Selbst in fast leeren Bahnen wird das so gehandhabt. Warum, weiß man nicht.
Was können Sie besser machen?
Ist die Bahn leer, können Sie ruhig »deutsch« aufstehen. Was Sie aber in jedem Fall vermeiden sollten, ist sich kurz vor der Ankunft durch die Passagiermassen zu kämpfen – zumal zu viel Körperkontakt in der Metro nicht gern gesehen wird. Oft lässt er sich aber auch nicht vermeiden, vor allem in Rom mit seinem lausig ausgebauten Metrosystem, wo die Waggons häufig, vor allem zur Hauptverkehrszeit, vollgestopft sind.
»Bella figura« machen Sie in diesem Fall, wenn Sie die Leute, die Ihnen im Weg stehen, höflich fragen: »Scende la prossima?« (Das ist die kurze Form von »Scende la prossima fermata« , steigen Sie an der nächsten Haltestelle aus. Noch kürzer geht es übrigens auch: »Scende?« . Ausgesprochen wird das »Schende?« ) Wer Ihnen mit »Nein« antwortet, wird Ihnen dennoch den Weg freimachen, so gut das im Gedränge eben geht.
Wie Franziska ein weiteres Mal zu lange sitzen
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