Fettnaepfchenfuehrer Italien
Mitbewohnerinnen, Freunde von ihnen und andere Erasmusstudenten. Die Idee, einen Ausflug zu machen, gefiel allen. Von Laura kam zudem der Vorschlag, das Ganze mit einem Picknick zu verbinden.
Laura und Franziska hatten den Termin auf einen Samstag gelegt, damit möglichst viele Leute Zeit hatten, auch die Freunde ihrer Mitbewohnerinnen, die arbeiten mussten, um sich ihr Studium leisten zu können. Franziska hatte versucht, die Zutaten für das Picknick einigermaßen gleich auf alle aufzuteilen, es sollte an nichts fehlen. Die Abfahrt war auf neun Uhr am Morgen gelegt, als Treffpunkt hatte Franziska das Gleis im Hauptbahnhof gewählt, wo der Zug abfuhr.
Als Franziska um Viertel vor neun mit Giulia an den Bahnhof kam, war Laura schon da. Menschenmassen standen vor den Anzeigentafeln, die die Abfahrtszeiten anzeigten. Vor dem Zeitungsstand wartete eine lange Schlange darauf, an die Reihe zu kommen. Wohin man schaute: Es war voll. Franziska und Giulia kämpften sich durch die Masse und wären fast von einem kleinen Wagen mit einigen Anhängern überfahren worden, der sich unbeeindruckt von den Menschenmassen recht schnell bewegte. Von Gleis 18 sollte der Zug fahren, stand auf der Anzeigentafel. Im Fahrplan dagegen stand Gleis 13, aber die Anzeigentafel wird es wohl besser wissen, dachte sich Franziska.
Fünf Minuten vor neun Uhr standen sie am Gleis. Niemand in Sicht.
Als es Viertel nach neun war und noch fünf Minuten Zeit blieben bis zur Abfahrt des Zuges, war lediglich Catarina gekommen, sonst niemand.
»Ach, Du weißt ja, die Italiener kommen immer etwas später«, sagte Laura zu Franziska, die weiter nervös Ausschau hielt nach ihren Freunden.
»Aber viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr«, antwortete Franziska.
»Wird schon werden. Bloß gut, dass die Bahn in Italien in der Regel Verspätung hat.«
»Ich bin ja wenigstens da«, sagte Catarina, strahlte wie immer und spielte dabei mit ihrem Haar.
Gerade Catarina, auf die sonst wenig Verlass ist, dachte Franziska.
»Was sollen wir denn jetzt machen?« fragte schließlich Laura, nachdem der Zug eingefahren war und es nur noch eine Minute bis zur Abfahrt dauerte – obwohl der Zug Verspätung hatte, waren sie immer noch zu viert.
»Wir fahren natürlich und lassen uns davon die Laune nicht verderben!« sagte Catarina trotzig.
»Seh‘ ich auch so«, stimmte ihr Franziska zu, sie wirkte dabei aber traurig.
»Und ob!« meinte schließlich noch Laura.
Franziska stellte sich an die offene Tür und schaute auf das Ende des Bahngleises. Just als der Zug davonfahren wollte, sah sie Cristiano, den Journalisten. Er konnte gerade noch durch die sich schließende Tür hineinspringen. Franziska hatte ihm gewunken, aber er hatte sie wohl in der Eile nicht gesehen.
Wenige Minuten später stand er mit einem strahlenden Grinsen im Abteil der Mädchen. »Puh, ich hab‘s grade noch geschafft.« Er schaute in die Runde. »Besonders erfreut seht ihr ja nicht gerade aus.«
»Viele haben es halt nicht geschafft«, sagte Franziska.
»Das ist blöd«, antwortete Cristiano und setzte sich auf einen freien Platz.
Was ist diesmal schief gelaufen?
Es war wohl gar nicht so, dass es viele »nicht geschafft haben«, rechtzeitig zum Bahnhof zu kommen. Das Problem ist eher: Wenn man sich in Italien zu etwas verabredet, ist das meist recht unverbindlich – selbst wenn eine gehörige Portion Begeisterung im Spiel ist.
Häufig hört man auch: »Lass uns mal einen Kaffee trinken gehen.« Man muss das interpretieren wie ein: Ich hab Dich gerne. Oder: Du bist mir sympathisch. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Irgendwann wird dann vielleicht ein reales Treffen daraus, wenn man darauf besteht.
Und das alles ist nicht einmal böse gemeint. Das Problem ist eher, dass Italiener meist in größeren Gruppen unterwegs sind, sodass kleinere Treffen häufig mangels Zeit ausfallen müssen.
Was können Sie besser machen?
Der einzige Weg, um ein solches Unterfangen wie einen Gruppenausflug mit Picknick erfolgreich über die Bühne zu bringen, ist: Nachfragen, nachhaken, nachfragen – mittels SMS, Email oder auch durch Anrufe. Erst durch mehrmalige Kontakte wird eine Verbindlichkeit der Zusage dokumentiert. Selbst bei ansonsten verbindlichen Menschen ist das leider häufig so.
Dabei gilt das nicht nur für den privaten Bereich, sondern auch im geschäftlichen. Lange Verabredungen im Voraus wie in Deutschland (»Kommen Sie am Mittwoch in zwei Wochen um 10.30 Uhr in mein Büro«) sind in Italien
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