Fettnaepfchenfuehrer Italien
ein guter Kerl. Er muss sich halt nur manchmal wichtig nehmen oder ruppig erscheinen.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen.«
»Und stell Dir vor, er hat Angst vor dem Malocchio! «
»Was ist denn das?«
»Der böse Blick. Man schreibt manchen Neidern die Fähigkeit zu, mit ihrem bösen Blick Unglück über einen zu bringen. Wir sind halt ein abergläubisches Volk«, sagte Stefano Lo Mele.
»Dann hat wohl jemand meinen BMW böse angeschaut«, sagte Paul Weiss und spielte damit auf seinen Unfall an.
»Vielleicht. Jedenfalls kann man gut mit Trombetta zusammenarbeiten. Er ist offen für Argumente.«
Das beruhigte Paul Weiss. Wenn man sachlich mit jemandem reden konnte, war bei einer Neuorganisation schon viel gewonnen. Er hatte einen ähnlichen Prozess auch einmal bei einem Zukauf in Tschechien mitgemacht. Damals aber war der Chef ein sturer Bock, völlig uneinsichtig und arrogant. Hermann Koch hat ihn schließlich aus dem Betrieb geworfen. So hatte Weiss seinen Chef noch nie erlebt, so wutentbrannt. Doch die Kündigung hielt auch vor einem Arbeitsgericht stand. Was Koch machte, machte er ordentlich, selbst wenn er vor Zorn glühte.
Paul Weiss erzählte Stefano von seiner Tschechien-Erfahrung.
»So etwas wird Dir hier nicht passieren«, beruhigte ihn der. »Weißt Du, wir stehen den deutschen Unternehmen im Grunde ja positiv gegenüber. Weil bei denen der Laden läuft, Ihr wisst im Grunde besser, wie das geht. Aber lass das ja nie einen Italiener spüren, sonst bist Du unten durch.«
»Ich werde mich an Deinen Rat halten. Aber warum, meinst Du, ist das so? Wissen wir es wirklich besser oder glaubt Ihr das nur?«
»Ihr seid wohl wirklich besser organisiert, und das ist halt im Business wichtig. Aber dafür sind wir manchmal genial.«
Paul Weiss wollte ihm widersprechen, ließ es dann aber sein.
»Schau mal, Leonardo da Vinci, Galileo Galilei, Borromini, Bernini, Tizian, Tintoretto, Ferrari – alles erfolgreiche Künstler, Konstrukteure, Architekten und so. Geniale Typen!« fuhr Stefano Lo Mele fort.
»Aber leider alle schon lange tot.«
»Ja, in der Gegenwart haben wir noch etwas Aufholbedarf. Leider.« Stefano Lo Mele holte Luft. »Rauchst Du eigentlich?«
»Nein.«
»Ich hätte Lust auf eine Zigarette. Kommst Du mit nach draußen?«
»Ja, mach ich«, sagte Paul Weiss.
Als Stefano dann eine Zigarette aus der Schachtel zog, bat ihn Paul Weiss, ihm auch eine zu geben.
»Aber Du hast doch eben gesagt, dass Du nicht rauchst.«
»Tu ich auch nicht. Aber ich habe jetzt trotzdem Lust auf eine Zigarette.«
Stefano gab ihm zuerst eine Zigarette, dann Feuer.
Paul nahm einen tiefen Zug. »Das erinnert mich an meine Studienzeit«, sagte er.
»Ich habe das Rauchen erst später angefangen«, sagte Stefano Lo Mele. »Stress mit einer Frau.«
»Und jetzt hast Du immer noch Stress?«
»Nein, jetzt bin ich süchtig.«
»Uh, auch blöd.«
»Camm‘a fà« , sagte Stefano, das war zwar napolitanischer Dialekt, man gebrauchte diese Redewendung jedoch auch häufig in Rom. »Was will man machen«, übersetzte er für seinen Kollegen.
»Ja, das ist schwer. Zum Glück habe ich nie richtig angefangen«, sagte Paul Weiss einfühlsam.
»Paul, wenn du übrigens mal richtig schöne Klamotten kaufen willst – ich weiß, ihr seid in Deutschland nicht so ein Modeland – dann musst Du zu einer Boutique gehen, die direkt bei mir um die Ecke ist. Die haben gute Qualität, auch nicht so extrem teuer. Da findest Du sicher auch was Schönes für Deine Frau.«
»Die kauft sich ihre Klamotten normal immer selbst.«
»Ach, die freut sich bestimmt, wenn Du ihr etwas mitbringst.«
»Das sicher, aber ich glaube, es wird nichts zum Anziehen sein.«
»Kannst ja einfach mal hingehen. Schau, dieses Hemd ist auch von dort. Super, nicht?«
»Ähm, ja.« Paul Weiss musterte Stefano Lo Meles Hemd. Er konnte absolut nichts Besonderes daran entdecken.
»Die Hose stammt auch von dort, aber die ist eigentlich ganz normal.«
»Das stimmt.«
»Ich habe auch noch einen Pulli von dort, aber den ziehe ich nur im Winter an.«
»Ich kann mir den Laden ja einfach mal anschauen.«
Was ist diesmal schief gelaufen?
Italiener können sehr elegant gekleidet sein. Häufig ist es aber auch so, dass der Kleidungsstil sich über Jahrzehnte nicht weiterentwickelt. Die italienische Gesellschaft als solche ist ja ziemlich konservativ, und das wirkt sich auch auf den Kleidergeschmack aus. Viele Italiener tragen im Grunde seit Jahr(zehnt)en immer
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