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Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Titel: Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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anzutreffen, die Karten spielen oder Domino, natürlich bei laufendem Fernseher, und auch sie selbst sind nicht unbedingt leiser als die Jungen. Sie trinken Kaffee und copitas : coñac, brandy, aguardiente (Schnaps).
    Dann kommen ab 20 Uhr die Angestellten zum Chillen. Sie nehmen zusammen einen Aperitif ein: cañas (Fassbier) und tapas (Häppchen). Zwischen 21 und 22 Uhr sind dann alle zum Essen zu Hause.
    Ab 23 Uhr wird es wieder voller in der Bar. Es wird getrunken, geplaudert, mitunter sogar getanzt, wenn Platz ist, wenn nicht, wird das Zusammenstehen und Biertrinken auch nach draußen verlegt, auf die Straße bzw. auf den Gehsteig, wo sich die Raucher sowieso schon versammelt haben. Vor Mitternacht scheint auch an Werktagen keiner ins Bett gehen zu wollen. An Freitagen und Samstagen geht es bis in die frühen Morgenstunden weiter.
    Wundern Sie sich nicht, wenn die Frage ¿Dónde nos encontramos? [ don de nos enkon tra mos] (Wo treffen wir uns?) standardmäßig so beantwortet wird: En el bar de la esquina. [en el bar de la es ki na] (In der Bar an der Ecke.)

17. ¿Adónde vas? – Wohin gehst du?
    oder: Nie mehr allein
    Nach dem Aufstehen und Duschen begegnet Lena am Sonntagmorgen Charo und Luis im Haus. Auch Abis Bruder Benito ist schon wach. Nanu, hat die Familie mit dem Sonntagsfrühstück nicht gewartet, bis alle Nachtschwärmer aufgestanden sind? Der Tisch ist nicht gedeckt, Luis liest Zeitung, Charo telefoniert und Benito sitzt über einer Tasse Milchkaffee und hält sich den Kopf.
    » Buenos días «, sagt er verkatert, »magst du Kaffee? Er steht in der Küche.« Lena schenkt sich eine Tasse Kaffee ein.
    »Benito«, flüstert sie. »Haben die anderen schon gefrühstückt?« » ¿Ehhh? «, macht er. »Da liegen doch Kekse.« Na, vielen Dank auch, denkt sich Lena. Gestern waren doch alle so überaus gastfreundlich. Verärgert nimmt sie sich ein paar der trockenen Kekse. Aber sie hat Hunger! Hoffentlich knurrt ihr Magen nicht gleich so laut, dass die anderen alle aufmerksam werden. Na gut, dann wird sie einfach nachher losziehen und sich ein Stück Gebäck in einer Konditorei holen. Oder in der Eckkneipe einen schönen Toast mit Butter und Marmelade essen. Ja, dazu hat sie jetzt richtig Lust. Lena zieht ganz gern auch mal alleine los, ohne Begleitung. So zur Erholung, ohne zuhören und Interesse signalisieren zu müssen. Wahrscheinlich ist das ein typisch deutsches Bedürfnis, aber sie findet die Vorstellung herrlich. Deshalb trinkt Lena rasch ihren Kaffee aus und will auch gleich los. »Bis später«, ruft sie in die Runde, »ich gehe mir noch ein bisschen die Beine vertreten«. »Ach, Lena?«, unterbricht Charo ihr Telefonat, »wohin gehst du denn?« »Kleiner Spaziergang, ich sehe mich nur ein wenig im Ort um.« »Ganz alleine?« Charo kann es gar nicht glauben. Lena nickt, nichts Gutes ahnend. »Schläft Abi denn noch?« Lena nickt wieder. »Soll ich sie aufwecken?«, fragt Benito, nun ebenfalls besorgt. »Nein, bitte nicht, lass sie schlafen!« Lena wehrt heftig ab.
    »Willst du nicht mitgehen, Benito?«, fragt Charo, als sei Lena ein kleines Kind, das man ohne Begleitung nicht aus dem Haus schicken darf. Benito winkt ab und signalisiert Schmerzen irgendwo zwischen hoher Denkerstirn und den kräftigen schwarzen Haarspitzen, die ihm gerade wie Antennen vom Kopf abstehen. Lena denkt schon, damit sei die Sache klar, da trifft Charo kurzerhand eine nicht mehr zu diskutierende Entscheidung: »Dann komme ich eben mit«, sagt sie und beendet damit das Telefongespräch mit ihrer Mutter, die drei Häuser weiter wohnt.
    Was ist da schiefgelaufen?
    Lena tickt eben doch anders als ihre Umgebung. Und obwohl sie weiß, dass das Frühstück in Spanien selbst am Sonntag keine große Sache ist, hat sie die barsche Aufforderung Benitos zur Selbstbedienung ein bisschen gekränkt. Nach der lebhaften Quasselei am Abend zuvor fand sie seine Einsilbigkeit am Morgen fast unangenehm. Jetzt hätte sie ihn fragen können, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist und woher seine Saure-Milch-Laune kommt. Vielleicht sind das die Folgen des Alkoholkonsums, auch wenn Lena bei Benito und den anderen Freunden keinen Schwips bemerkt hat. Nur bei ihr selbst. Verhält Benito sich gar deshalb so merkwürdig, weil sie gestern ein bisschen betrunken war?
    Dass Benito so wortkarg war, war sicher keine Ungezogenheit gegenüber dem deutschen Gast. Der Morgen ist im Normalfall die einzige Tageszeit, zu der das Temperament, die Lautstärke und

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