Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
er immer mehr in seinem Schreibtischstuhl zusammen. Seine Gesichtsfarbe wechselt von rötlich zu puterrot. Oh nein, das hat er wirklich gerade in Gegenwart der ganzen Kollegenschaft und in Anwesenheit des Chefs gesagt? ¡Joder! [cho der ] ►, der Ausdruck, den er für »verdammt« hielt und der in dieser Bedeutung auch inflationär verwendet wird, ist das Äquivalent zum kurzen englischen Wort, das mit »f« anfängt und mit »k« aufhört. Vom Stil her in ungefähr derselben Preisklasse.
Die harmlose Verballhornung heißt ¡Jolín! oder auch nur ganz kurz ¡Jo! und ist etwas weniger vulgär. Obwohl natürlich jeder weiß, für welches Wort es eigentlich steht.
¡Cojones! [ko cho nes], das in ähnlicher Bedeutung und ebenso häufig in die Rede eingestreut wird, bezeichnet ein primäres Geschlechtsmerkmal des Mannes, das paarweise auftritt. Das weibliche Pendant heißt übrigens ¡Coño! [ ko njo] und kommt schon fast ebenso häufig im Gespräch vor. Es handelt sich dabei lediglich um Ausrufe, nicht um Beleidigungen, die sich gegen eine konkrete Person richten.
Die gibt es auch, womit wir bei der nächsten Wortfamilie wären, dem der puta (Hure). Ein hijo de puta [ i cho de pu ta] (Hurensohn) oder eine hija de puta (Hurentochter) ist schon eine ernsthafte Beleidigung, kein Kavaliersdelikt mehr. Das adjektivisch gebrauchte de puta madre (von der Hurenmutter) ist dagegen durchaus positiv gemeint und heißt so viel wie »toll«, »super« oder »geil«. Ebenso das von cojones abgeleitete Adjektiv cojonudo [kocho nu do], was so viel wie »fabelhaft« bedeutet.
Zu cojonudo gibt es eine Anekdote: Es wird berichtet, dass König Juan Carlos I. einmal zu Besuch in der Provinz Rioja in Nordspanien war, die bekannt ist für ihren guten Wein und für ihr Gemüse. Der König wurde zu diversen Verköstigungen eingeladen, unter anderem von einem Spargelproduzenten. Als der König dessen Spargel kostete, soll er dessen Qualität und den feinen Geschmack mit dem Ausruf ¡son cojonudos! treffend, aber durchaus vulgär, beschrieben haben. Sollte heißen: »Sie sind hervorragend.« Worauf der Riojaner Spargelproduzent hinging und das Qualitätssiegel prompt auf die Etiketten seiner Gläser und Konserven drucken ließ. Es gibt nun also seit etwa 20 Jahren eine Sorte espárragos cojonudos aus La Rioja, die übrigens in ganz Spanien begehrt und bekannt sind. 2007 hat der König dann auf internationalem Niveau seinen Ruf als verbal etwas ruppiger Spanier erneuert, als er beim Gipfeltreffen der iberoamerikanischen Länder den venezolanischen Staatschef attackierte und zum Schweigen bringen wollte, als dieser den spanischen Ministerpräsidenten Zapatero laufend unterbrach. » ¿Por qué no te callas? «, fuhr Juan Carlos Hugo Chávez über den Mund – »warum hältst du nicht (einfach) die Klappe?«
Neben diesen unverblümt auf Geschlechtliches abzielenden »schlechten Wörtern« ( malas palabras oder palabrotas ) gibt es das Feld des Religiösen, aus dem nur das häufige ¡hostia! für »Mist!« herausgegriffen sei. Hostia heißt einerseits »Hostie«, andererseits »Ohrfeige«. Dazu gibt es alle möglichen Ableitungen wie z.B. estar de mala hostia , »schlechte Laune haben«. Dafür wird für unser berühmtes A...och in Spanien nicht der entsprechende Körperteil bemüht, sondern der Ziegenbock: cabrón wäre die entsprechende Beleidigung. Über alle weiteren verbalen Entgleisungen schweigen wir hier lieber.
Lassen wir stattdessen noch einmal Neus, Toms bezaubernde Kollegin, zu Wort kommen. Sie erklärt Tom die Ampelsituation auf Spaniens Straßen: »Regel Nummer eins, lebenswichtige Regel: Betrete nie eine Straße als Fußgänger, ohne vorher nach links und nach rechts geschaut zu haben!«
»Auch wenn ich an einem Zebrastreifen stehe und mir das grüne Ampelmännchen zuwinkt?«, fragt Tom.
»Auch dann«, sagt Neus bestimmt. »Glaub mir, das spanische Ampelmännchen kann auch fies sein und dich direkt in dein Verderben locken und anschließend ganz unschuldig mit den Augen klimpern.«
Tom ist auf der Stelle überzeugt. Der Schrecken sitzt ihm noch in allen Gliedern, obwohl es auch etwas Schönes hatte, von Neus vor dem Überfahrenwerden gerettet zu werden. »Also, lass mich das zusammenfassen: Die Fußgänger in Spanien sind entweder Anarchisten oder rot-grün-blind. Und die Autofahrer müssen irgendwie dieselbe Krankheit haben.«
Neus lacht. »Du kannst es auch kürzer fassen: Verlass dich im Straßenverkehr nur auf das,
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