Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
hin.
Rafa holt Bier aus der Kühltasche. »Oder mögen die Damen lieber einen tinto de verano ? Ich habe auch Rotwein und Limonade, schön gekühlt, mit dabei. Was gibt’s denn zu essen, Lena?«
Lena packt die mitgebrachten Salate aus, vier an der Zahl, Schinken, Käse, Brot, Obst, sogar an die Nachspeise hat sie gedacht und flan , Karamellpudding, mit eingepackt.
»Und wo ist das Fleisch für den Grill?« Rafa ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.
»Ich höre immer Fleisch und Grill. Ich dachte, wir machen picnic !«, empört sich Lena. »Nun komm schon, greif zu, zu viel Fleisch ist sowieso nicht gesund, noch dazu Gegrilltes!«
Rafa durchleuchtet Lenas Salate mit Röntgenblick und findet weder Fleisch noch Fisch darin. » ¡Espera! «, sagt er, »warte!«, und macht sich zum Familienclan am Nachbartisch auf.
Was ist da schiefgelaufen?
Ja, was eigentlich? Lena hat sich die größte Mühe gegeben, aber offensichtlich fehlt etwas Entscheidendes.
»Bist du Vegetarierin?«, fragt Abi Lena.
»Quatsch! Das weißt du doch. Sonst würde ich ja auch keinen Schinken essen.«
»Weißt du, in Spanien werden eigentlich alle Gerichte, sagen wir, die Hauptspeisen, mit Fleisch oder Fisch zubereitet. Salat, Gemüse, Kartoffeln gibt es als Beilagen. Wenn Fleisch oder Fisch fehlt, haben wir irgendwie das Gefühl, dass wir nicht satt werden.«
»Aber hör mal, beim Picknick gibt es doch kein Fleisch. Und ich habe immerhin an Schinken gedacht.«
»Bei uns schon. Meine Mama macht dann immer einen pastel de carne oder albóndigas oder empanadas de pollo o atún oder ...«
Pasteles de carne , wörtlich »Fleischkuchen«, sind mit Fleisch gefüllte Pasteten, albóndigas (Hack-)Fleischbällchen in Tomatensoße, und empanadas de pollo o atún sind mit Huhn oder Thunfisch gefüllte Teigtaschen, die in Fett gebacken werden.
»Jetzt hör schon auf! Es kann doch nicht sein, dass ihr nicht einen Tag ohne Fleisch auskommen könnt.«
»Ohne Fleisch schon, aber auch noch ohne Fisch?«
Lena kocht.
»Was macht Rafa denn eigentlich bei den wildfremden Leuten dort?«
Doch Abi zuckt nur mit den Achseln und pickt mit der Gabel in Lenas Salatschüssel.
» ¿Ensalada mixta? «, fragt sie. Lena nickt. » ¿Sin atún? «
Wie bitte? Ohne Thunfisch? Wieso sollte ihr gemischter Salat Thunfisch enthalten? Dann wäre er ein Thunfischsalat, kein gemischter Salat. Jetzt reißt Lena aber langsam der Geduldsfaden!
Da kommt Rafa angehüpft und schwenkt eine Plastiktüte über dem Kopf wie eine Trophäe.
»Unsere netten Nachbarn hier hatten noch etwas lomito übrig. (Anm.: Lomo , verniedlicht lomito , ist Schweinelende, meist sehr dünn geschnitten, die entweder natur gebraten oder gegrillt wird.) Dann habe ich den Grill doch nicht umsonst angeheizt! Nicht beleidigt sein, Lenita , wir Spanier sind eben Fleischfresser. Oh, was für wunderbare Salate unsere alemanita da gemacht hat. Hm, ¡qué rico! , wie lecker!«
» Lenita, alemanita «, schnaubt Lena. »Kann es jetzt endlich mal losgehen mit dem Essen? Ich habe nämlich Hunger. Tengo hambrita. «
Sprachliche Verniedlichung
Die Verkleinerungsformen auf -ito/-ita (deutsch: -chen; Lenita = Len(a)chen) dienen der Verniedlichung: gatito (von gato ) = das Kätzchen, casita (von casa ) = das Häuschen, Pepito (von Pepe), Pepita (von Pepa) oder Manolito (von Manolo bzw. Manuel). Oder der emotionalen Anteilnahme: ¡Pobrecito! (von pobre , arm) = Du Ärmster!
Sie können auch für Abschwächung oder Relativierung stehen: gordito (von gordo ) = dicklich (weniger schlimm als »dick«). Oder, wie im Falle von Rafa, auch als Beschwichtigung. Er will sich damit bei Lena einschmeicheln, da er sie vorher wegen ihrer fleischlosen Salate kritisiert hat. Tengo hambrita = Ich habe »Hungerchen« (= ein ganz klein bisschen Hunger).
Was können Sie besser machen?
Sollten Sie Vegetarier oder Vegetarierin sein und neben Fleisch auch keinen Fisch essen, haben Sie es in Spanien schon schwer. Nicht nur, weil Sie dann die allermeisten Hauptgerichte meiden müssen. Am besten Sie halten gleich nach einem vegetarischen Restaurant Ausschau. Es gibt allerdings noch nicht sehr viele in Spanien. Ansonsten kann es Ihnen passieren, dass Gerichte, die Sie ihrem Namen nach für vegetarisch halten, es doch nicht sind.
In Spanien soll es etwa 200.000 Vegetarier geben, das sind 0,5 % der Bevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland sind es fast 8 Millionen, also knapp 10 % der deutschen Bevölkerung. Die Unión
Weitere Kostenlose Bücher