Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
Kreischt da nicht jemand? Ist das bei ihr in der Wohnung? Kann doch eigentlich nicht sein. Doch, da ruft jemand.
Lena schält sich aus ihrem Stuhl, in dem sie im Schneidersitz gesessen hat, und humpelt auf eingeschlafenen Füßen hinüber zu ihrer Zimmertür. Sie horcht. Kein Zweifel, da ist irgendwas los. Laute Rufe, Geschrei. ¿Qué pasa? , denkt sie. Was um Himmels Willen ist da los?
Sie klopft, aber niemand reagiert. Als sie die Tür öffnet, kann sie zuerst gar nicht glauben, was sie da sieht: Das Rollo ist hochgezogen, das Fenster sperrangelweit geöffnet. Am Fenster Lore im Blümchennachthemd mit Puffärmeln, Heinrich im Pyjama mit blauen Streifen und Brusttasche. Lore ruft gerade: »Aber des geht doch ned! Wie sollen wir denn bei dem Krach da einschlafen!« Und Heinrich fügt hinzu: »Ab 22 Uhr muss aber wirklich mal Schluss sein!«
Vorsichtig tritt Lena näher und späht hinterm Vorhang nach draußen. Da sitzen ihre Nachbarn aus dem Erdgeschoss auf der Terrasse und die chuletas (Koteletts) brutzeln auf dem Holzkohlegrill vor sich hin: Die Familie sitzt beim Essen.
»Um elf Uhr essen die!«, schnaubt Lore. »Und ihre Kinder sind auch noch nicht im Bett. Da, siehst du des kleine Mädel da? Die gehört doch schon längst ins Bett!«
»Ja sollen denn die Kinder ohne Essen ins Bett gehen?«, fragt Lena aus ihrer Deckung heraus.
»Nein, aber halt um eine anständige Zeit essen. Es ist doch schon mitten in der Nacht! Also ich könnt so spät nix mehr essen. Oder ich würd schlecht schlafen. Des liegt einem doch im Magen, so viel Essen. Und am Ende kriegt ma doch nur Alpträume davon.«
Was ist da schiefgelaufen?
Lena hat ihren Eltern wohl das falsche Zimmer gegeben. Denn das, was sie als Ruhestörung empfinden, ist in Spanien absolut normal. Nach 22 Uhr ist keinesfalls Hüttenruhe angesagt, sondern dann fängt in den Familien das Abendessen an, und manche werfen im Sommer dann gerade erst den Grill an. Bis das Fleisch darauf liegt und gegrillt ist, kann es dann auch 23 Uhr werden. Gar kein Problem in Spanien. Vor Mitternacht geht kaum jemand ins Bett, weder Jugendliche noch Erwachsene, und mit relativ vollen Mägen ins Bett zu gehen, macht Spaniern anscheinend nichts aus. Vielleicht essen sie deshalb morgens kein Frühstück, weil sie vom üppigen Abendessen noch so satt sind.
Straßenverkehr, Lokale, durch deren offene Türen der Lärm von Geschirr, Kaffeemaschinen, Fernsehern, Spielautomaten, Jukeboxes und natürlich vom Lachen und (lauten!) Reden der Gäste schallt, Terrassencafés, die bis weit nach Mitternacht geöffnet haben, all das gehört einfach dazu und die meisten Spanier nehmen das auch nicht als Lärm wahr.
Was können Sie besser machen?
Wenn Sie in puncto Lärm ein wenig empfindlich sind, dann achten Sie z.B. bei Hotelreservierungen unbedingt auf das Viertel, in dem sich die Unterkunft befindet, wie groß die angrenzende Straße ist (ein- oder mehrspurig), ob es in einem beliebten Kneipenviertel liegt etc. Denn wenn die Leute in den Morgenstunden endlich von der Straße weg und heim ins Bett gehen, dann kehrt immer noch keine Ruhe ein. In den frühen Morgenstunden (oder auch noch mitten in der Nacht, je nach Blickwinkel) rumpelt die Müllabfuhr durch die Straßen: Anfahren, Bremsen, Aufladen, Runterkippen, Abstellen, Zurückrollen, Anfahren, Bremsen, Aufladen usw. Und vielleicht haben Sie auch noch das Glück, einen Bäcker in Ihrer Straße zu haben. Der steht auch seeehr früh auf, um Ihre panecillos [pane thi jos] (Brötchen) zu backen, schiebt das Eisenrollo seines Ladens auf, öffnet die Türen zur Backstube, säubert den Backofen usw., usf. Lustig ist auch, wenn tagsüber der bombona -Lastwagen durch die Wohnviertel zockelt und der Lieferant seine Butangasflaschen lautstark feilbietet. Er macht das gern, indem er zum Beispiel mit einem Schraubenschlüssel auf die bombonas schlägt.
Achtung! False friends oder falsos amigos : Bombonas haben nichts mit Bonbons zu tun, die heißen in Spanien caramelos . Bombones (Singular: un bombón ) sind dagegen Pralinen. Und bombonas ? Das sind Butangasflaschen.
Hausfrauen und Hausmänner geben ihm vom Fenster ein Zeichen und er liefert dann die Gasflasche bis in die Wohnung. Nein, da dürfen Sie entweder nicht empfindlich sein oder Sie gehen hinaus ins Grüne oder in den neunten Stock eines Hochhaushotels. Vielleicht packen Sie vorsichtshalber Ohropax ein. Irgendetwas müssen Sie sich einfallen lassen, denn herumzubrüllen, Ihre Nachbarn oder
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