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Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Feuchtgebiete: Roman (German Edition)

Titel: Feuchtgebiete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Drogen genommen habe. Die wildeste Feier meines Lebens fand statt, als meine Freundin Corinna feststellte, dass mein damaliger Dealerfreund Michael seine Drogendose hat liegen lassen. Es gab eigentlich nichts zu feiern. Das sagen wir nur so, wenn man Drogen nimmt. Feiern.
    Michael hat all seine Pappen und Pillen und Packs mit Speed und Koks in einer Art Scherzartikel aufbewahrt. Sah aus wie eine ganz normale Coladose, aber man konnte den Deckel abdrehen.
    Michael hatte den Ehrgeiz, dass immer genau so viele Drogen in seine Dose gestopft waren, dass sie gerade so viel wog wie eine Dose mit echter Cola drin.
    Corinna sagt: »Guck mal, Helen. Michaels Dose. Der wäre doch nicht sauer, oder?«
    Sie grinst mich an und kräuselt die Nase dabei. Das bedeutet, sie freut sich wirklich.
    Wir haben dann die Schule geschwänzt, am Kiosk Rotwein gekauft und Michael auf den Anrufbeantworter gesprochen:
    »Falls du Cola suchst, wir haben einen ganzen Kasten in Corinnas Zimmer gefunden. Bist nicht sauer, wenn wir ohne dich anfangen zu trinken, oder?«
    Wir waren ganz groß darin, am Telefon in schlechten Verschlüsselungen zu sprechen. Wenn man Drogen nimmt, wird man paranoid und verwechselt sich selbst mit Scarface und denkt, man wird die ganze Zeit abgehört und steht immer kurz vor einer groß angelegten Razzia, Festnahme und Gerichtsverhandlung, wo der Richter dann fragt: »Ach, ja, Helen Memel, was soll denn ›Waschmittel‹, ›Pizza‹ und ›Gemälde‹ eigentlich heißen? Sie haben in der Zeit gar nicht gewaschen, Pizza gegessen und auch nicht gemalt. Wir haben Sie nämlich nicht nur abgehört, sondern auch beobachtet.«
    Dann begann unser Rennen gegen die Zeit. Unser Ziel war es, so viele Drogen wie möglich zu schlucken, bevor die ersten zu wirken anfingen und bevor Michael eintraf. Alles, was wir nicht runterschlucken konnten, würden wir zurückgeben müssen. Um neun Uhr morgens haben wir angefangen, immer zwei Pillen auf einmal, mit viel Rotwein runtergespült. Wir fanden es unangemessen, schon morgens Speed und Koks durch die Nase zu ziehen, und haben aus Klopapier Bömbchen gebaut.
    Also jeder ein halbes Pack, das heißt ein halbes Gramm, auf ein Stück Klopapier geschüttet und kunstvoll zusammengezwirbelt und mit viel Rotwein runter damit. Vielleicht war doch weniger als ein Gramm in jedem Pack, Michael war ein guter Geschäftsmann und hat alle mit den Mengen immer etwas betuppt. Damit er mehr verdient. Ich hab mal nachgewogen, was angeblich ein Gramm sein sollte. Von wegen. Aber kann man ja schlecht der Polizei melden. So ist das wohl auf dem Schwarzmarkt. Nix da Verbraucherschutz.
    Jedenfalls sind diese Bömbchen sehr schwer zu schlucken. Muss man geübt haben. Wenn man beim Schlucken hinten im Rachenraum zu lange rumfackelt, geht das Bömbchen auf, und das ganze bittere Zeug hängt hinten an der Zunge und am Gaumen dran. Das gilt es zu verhindern.
    Wahrscheinlich fing alles langsam an zu wirken. Ich kann mich nur noch an Highlights erinnern. Corinna und ich lachten die ganze Zeit und erzählten irgendwas von Drogenschlaraffenland. Irgendwann kam Michael vorbei, um seine Dose zu holen, und hat rumgeschimpft. Wir haben gekichert. Er hat gesagt, wenn wir an der Menge, die wir da intus haben, nicht verrecken, müssten wir das alles bezahlen. Wir haben ihn nur ausgelacht.
    Später mussten wir kotzen. Erst Corinna, dann von dem Geräusch und dem Geruch ich. In einen großen weißen Putzeimer. Die Kotze sah aus wie Blut, wegen dem Rotwein. Wir brauchten aber lange, um dahinterzukommen. Und dann schwammen da überall nicht verdaute Pillen drin rum. Das kam uns wie eine schlimme Verschwendung vor.
    Ich: »Halbe, halbe?« Corinna: »Ja, du zuerst!« Und so hab ich zum ersten Mal in meinem Leben literweise Kotze von einem anderen Menschen getrunken. Gemischt mit meiner. In großen Schlucken. Immer abwechselnd. Bis der Eimer leer war.
    An solchen Tagen sterben, glaub ich, viele Gehirnzellen ab. Und bei mir sind diese und ähnliche Partys ganz eindeutig aufs Gedächtnis gegangen. Es gibt noch eine Erinnerung, von der ich mir nicht sicher bin, ob sie eine Erinnerung ist. Ich komme eines Tages aus der Grundschule und rufe im Haus rum. Keiner antwortet. Also denke ich, keiner ist da.
    Ich gehe in die Küche, und da liegen Mama und mein kleiner Bruder auf dem Boden. Hand in Hand. Sie schlafen. Mein Bruder hat seinen Kopf auf sein Pu-der-Bär-Kissen gebettet, Mama ihren Kopf auf ein kleingefaltetes, hellgrünes

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