Feuer brennt nicht
glänzende Nase herum ist es fast weiß. Die Lauscher drehend im Licht des halben Mondes, knabbert es an den Rosenknospen und der einen oder anderen Blüte, und endlich schaltet Alina den Fernseher aus und steht auf, seltsam abrupt, wie er findet. »Was mich betrifft, ich liebe übrigens immer noch deinen Arsch«, sagt sie im Vorbeigehen und hätte fast den Löffel abgeleckt, den sie gerade dem Hund hingehalten hat; doch besinnt sie sich und fügt, schon halb in ihrem Zimmer, hinzu: »Von hinten und von vorn.«
Dann schließt sie die Tür, und nachdem er Webster versorgt und alle Lichter gelöscht hat, geht Wolf ihr nach. Sie zieht sich gerade die Jogging-Hose aus, blickt stirnrunzelnd zu ihm auf, und er ignoriert ihr leises »Hau ab!« und tritt so nah vor sie hin, dass sie sich festhalten muss an ihm, wenn sie nicht umfallen will. Die Hände auf seinen Schultern, schlackert sie sich den Stoff von der Wade, beugt den Oberkörperzurück und wendet den Kopf weg. Kraftvoll wölbt sich ihr Schamhügel unter dem bordeauxroten Slip, und sie gibt ihm einen Stoß damit, was wohl noch abwehrend gemeint ist; doch er drängt sie gegen die Wand, und während er an ihr riecht und sie sich küssen, behutsam wie schon lange nicht mehr, öffnet er den BH, dessen Träger ihr bereits von den Schultern hängen, mit einem Griff und berührt ihre Brüste wie zum ersten Mal. Zwar sieht sie ihn nach wie vor an, als müsste sie noch etwas ausbalancieren in sich, atmet aber vernehmlicher, und endlich kann auch sie sich der neuen Unschuld zwischen ihnen nicht länger entziehen und schiebt die flache Hand so weit hinter den Saum seiner Shorts, wie es der Perlenring zulässt. Dann schließt sie die Augen.
Als er am nächsten Tag mit dem Hund vom See kommt, steht ein kleiner Korb auf seinem Schreibtisch, Kirschen vom Grünen Mann. Es ist ein Abschiedsgeschenk; die alte Villa mit dem verwilderten Garten ist an einen Westler verkauft worden, einen Bundespolitiker, und wird noch in diesem Sommer restauriert. Erst vor kurzem hatte einer der jähen Stürme, die es in letzter Zeit öfter gibt, das halbe Dach weggerissen, und der Eremit hat die Schäden mit einer dicken, im Wind sich blähenden und knatternden Plastikplane, einer Kinoreklame, abgedeckt; ein riesiger Spiderman kriecht nun über den First. Es ist das letzte graue Haus in der Straße; in dem nur flüchtig geglätteten, für die einstige DDR typischen Rauputz sind durch die kleinenund größeren Kiesel im Mörtel Strukturen entstanden, die zwar gewollt aussehen, sich aber wohl nur einem Mangel an gesiebtem Sand verdanken, und an manchen Tagen klammern sich unzählige Spatzen und Meisen flatternd daran fest, um Insekten oder ihre Larven aus den Löchern zu picken; an der Wetterseite wächst sogar Moos, bräunlich schimmernd wie ein Fell.
Am Tag vor seinem Auszug bringt Alina dem Mann eine Flasche Sekt und spricht eine Weile mit ihm am Gartenzaun. Er hat eine neue Wohnung gefunden, in einer Plattenbausiedlung in Marzahn, und nachdem er zwei Koffer, eine Schaumstoffmatratze, ein paar Töpfe und eine Stehlampe auf einen kleinen Anhänger geladen hat, winkt er ihnen zu und steigt in einen Trabant, den eine Frau fährt. Der Haube auf dem melierten Haar zufolge ist sie Krankenschwester, und sie lacht hell auf, als sie den Motor beim Anfahren abwürgt. Doch dann tuckert der Zweitakter mit der rappelnden Ladung über das Kopfsteinpflaster davon, und Wolf atmet den speziellen, sonst so verabscheuten Geruch des bläulichen Rauchs, der noch eine Weile in der Luft hängt, fast wehmütig wie etwas Kostbares ein, wie die Essenz einer Geschichte, mit der auch die eigene ein Stück weit vergangen ist. »Ein netter Mann«, sagt Alina und greift nach seiner Hand. »Er hält uns für glückliche Menschen.«
Er ist gerade dabei, ein neues Manuskript für das Lektorat vorzubereiten, als gegenüber ein Gerüst aufgestellt und das Haus entkernt wird. Man arbeitet mit elektrischen Meißeln, sogenannten Tangohämmern, durch die röhrenartigen Rutschen poltert der Bauschutt indie Container, Wolken aus Staub puffen auf, und wird einmal nicht gefräst, geschliffen oder gestemmt, hallen die Schlager aus den Radios der Handwerker durch den Bau. Wolf stopft sich Watte in die Ohren, und eines Tages steht er am Fenster und tupft etwas Tipp-Ex auf ein Blatt, als einer der Männer glasierte Schamottsteine vom Balkon wirft, vorsichtig, denn er will sie wohl noch einmal verwenden; sie fallen auf einen Haufen weicher
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