Feuer der Götter: Roman (German Edition)
plagte, dennoch half das Kauen, die Müdigkeit wieder ein wenig zurückzudrängen.
»So«, sagte der Yioscalo auf seine schneidende Art. »Nun sag mir, wer du wirklich bist. Ich denke doch, dass ich sämtliche Familien von hier bis zu den nördlichen Hügeln kenne. Natürlich bleiben Bastarde nicht aus, wenn man sich Waldleute als Sklaven hält. Aber einen solchen Fehltritt stattet man nicht mit Geld und Schmuck aus; den versteckt man eher unter der Dienerschaft. Du bist ein Waldmensch, der auf irgendwelchen krummen Wegen zu Geld gekommen ist. Wo ist es her? Wem hast du es gestohlen?«
»Es gehört … mir.« Verzweifelt schüttelte Royia den Kopf, denn zu seiner Mattigkeit kamen nun Schmerzen hinter der Stirn. Er überlegte, wo er das geraubte Messer gelassen hatte – sich wehren zu können, dürfte bald wichtig werden. Aber er konnte sich nicht entsinnen.
»Lass mich raten«, der Yioscalo hob einen Finger. Er schien ein eigenartiges Vergnügen an der Sache zu haben. »Du hast einen Bruder oder einen Freund hier, den du zu befreien hoffst. Oder eine Frau? Ein paar schöne Waldfrauen gibt es hier auch.« Eifrig nickte er, als überlege er, sie Royia vorzuführen. Sein wuchtiger Ohrschmuck schwang hin und her. »All die Narben auf deinem Körper – stammen sie von den Züchtigungen deines Herrn, dem du entflohen bist? Wenn es so ist, scheint es ihm auf eine seltsame Art gefallen zu haben, deinen Körper eher zu verschönern als zu verunstalten. Das finde ich interessant. Aber sehr redselig bist du ja nicht. Fällt dir denn gar nichts ein?«
Royia musste sich mit beiden Händen abstützen, um nicht zur Seite zu sacken. »Was … soll ich sagen?«, murmelte er. Die Worte fühlten sich an wie Steine im Mund. »Ich verabscheue euch Städter. Wir sind freie Menschen, keine Sklaven. Der Gott-Eine sollte … Feuer von seinem Berg spucken und eure Stadt vernichten.«
Der Yioscalo riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf. Vergnügt schlug er sich auf die Schenkel. »Sicher seid ihr das – drüben in eurem Wald. Aber wer die neugierige Nase über den Fluss reckt, muss eben damit rechnen, dass es ihm nicht so ergeht, wie er sich das vielleicht vorgestellt hat. Aber da du den Gott-Einen erwähnst … Ich denke, ich werde dich dem Tempel als diesjähriges Opfer anbieten. Es ist seit ein paar Jahren zur Tradition unter Freunden geworden, dass ich Tlepau Aq noch während des Festes ein Opfer schenke. Er würde über dich sicher staunen, hm?«
Unwillkürlich musste Royia auflachen. Wenn du wüsstest, wie sehr er staunen würde …
»Dein Blut wird zu den Göttern aufsteigen, und sie werden sich an dem Wohlgeruch laben«, fuhr Qu Yioscalo genüsslich fort. »Sie freuen sich; das Fest endet wie gewohnt, und wir können uns auf ein weiteres Jahr voller Segnungen des Gott-Einen freuen. Es sollte dir eine Ehre sein, dafür zu sterben.«
»Das Leben der Götter … ist eine Lüge«, murmelte Royia.
»Was sagst du da? Dass es die Götter nicht gibt?«
Oh, es gibt sie. Aber dort oben ist es nicht so, wie wir uns das ausmalen. Das Leben im Licht ist eine Lüge.
»Was hast du gesagt?«, schrie der Yioscalo. Royias Kopf dröhnte. Hatte er wirklich laut gesprochen? »Alles ist, wie es sein soll«, der Zwerg hob unschuldig die Hände. »Seit einer für uns unermesslichen Zeitspanne ist es so, und es wird noch einmal so lange so weitergehen.«
Royia wollte nach dem kleinen Brotmesser greifen, das auf dem Teller am Ende der Liege lag. Feuer zu entfachen, war die einzige Rettung. Doch er sackte auf einen Ellbogen und würgte. Vergebens tasteten seine Finger nach dem Messer; er stieß es zu Boden, und dort, zu seinen Füßen, schien es fast unerreichbar zu sein.
»Dir ist nicht einfach übel; du bist krank. Oder du hast zu viele Sonnenpalmnüsse gegessen. Wie auch immer, ich werde dich … Was ist denn?«
Eine wuchtige Gestalt war in dem Innenhof erschienen. Ein junger Mann, mehr in die Breite als in die Höhe gewachsen, kam zwischen den Palmen herangewatschelt. Ein üppiger Bauch schwappte über seinem seidenen Schurz. Auch er war mit Schmuck und Ringen überhäuft, doch sein Kopf war kahlgeschoren.
»Vater!« Seine dicken Lippen bebten vor Empörung. »Xlihua will mich nicht zu der neuen Sklavin lassen. Er gehört bestraft!«
Qu Yioscalo rollte mit den Augen. Beinahe schien es Royia, als zwinkere er ihm zu. »Pe«, sagte er schließlich streng. »Ich habe dem Verwalter gesagt, dass ich sie für mich haben will.
Weitere Kostenlose Bücher