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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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er es schon ausgeführt hatte. Dann schloss er kurz die Augen und atmete tief durch. »Was du tun wirst, ist einfach. Halte dich an die Priesterin dort«, er wies auf eine Frau, die steif in einer Ecke wartete, mit einer Art bronzenen Pfanne in den Händen. »Ihr beide werdet, sobald das Opfer in den Fluss gefallen und die Sonne aufgegangen ist, die Feuer in den kleineren Ölbecken draußen löschen.«
    Naave nickte. Sie bekam ebenfalls eine Pfanne gereicht und gesellte sich zu der Frau, die sie unruhig anlächelte. Das Löschen des Feuers markierte das Ende des Festes. Auch all die Feuer und Fackeln rund um den Tempel und auf dem Platz würden erlöschen. Sie war froh, nicht den Platz der anderen Priesterin einnehmen zu müssen, die eine Schale mit Wasser und ein Tuch hielt: Sie würde Tlepau Aqs Hände und den Opferdolch reinigen. Eine ältere Priesterin mit dem Mond der Xocehe auf dem greisen Haupt prüfte noch einmal den Bestand eines Arzneikastens – offenbar stand sie bereit, um zu helfen, falls jemandem übel werden sollte. Am abgebrochenen Ende der Brücke warteten zwei Priester neben dem großen Feuerbecken; die riesige Abdeckung, mit der sie das Feuer im rechten Moment ersticken würden, lehnte in einem Gestell daneben.
    Tlepau Aq räusperte sich. »Es wird Zeit; bald ist Sonnenaufgang. Seid ihr bereit?«
    Um ihn nervöses Nicken. Er schob den Dolch in eine lederne Halterung an seinem linken Unterarm, verschränkte die Finger und ließ sie knacken; dann trat er hinaus.
    Naave hörte den Lärm der Menschen aufbranden, als sie ihn im Schein der Feuer sahen. Seine Aufregung schien wie weggeblasen; geschmeidig und ohne jede Furcht vor dem Abgrund schritt er über die schmale Brücke. Am Kopfende der Bahre, auf der das Opfer lag, blieb er stehen. Der Lärm schwoll an und erstarb abrupt, als er in einer schnellen Bewegung den Dolch zog und beide Arme in den Himmel reckte. So drehte er sich, um dem Volk die Pracht seiner Aufmachung zu zeigen. Ehrfürchtiges Stöhnen wallte die Tempelmauern herauf und mischte sich mit dem Gischten und Schäumen des Großen Beschützers.
    »Sieht er nicht großartig aus?«, hauchte die junge Priesterin mit dem Mond der Varuta, während sie hinaustrat, um neben dem kleineren Becken Aufstellung zu nehmen.
    Ja, das tut er. Naave folgte ihr und blieb neben dem anderen Becken stehen. Was empfand sie, als er sich trotz des schweren Kostüms bewegte, als kümmere ihn der Abgrund nicht? Abscheu, Ehrfurcht? Oder doch auch einen Hauch von Stolz? Nein! Er hat Nanxi auf dem Gewissen! Die angewinkelten Axotflügel waren mit Drähten und Schilfrohrstöcken über Schultern und Oberarme gespannt; über seinem Scheitel erhob sich der Kopf des Axots, die Augenhöhlen mit Blutsteinen in Goldringen ausgefüllt, und der zahnbewehrte obere Schnabel lag über Tlepau Aqs Stirn. Die Rückenfedern erzitterten im Wind. Seine Brust mit dem Sonnenpektoral, sein Gürtel mit goldenen und schwarzen Steinen und Federn und all die Reife aus Gold um Hand- und Fußgelenke erinnerten daran, dass er ein Mensch war. Er genoss seinen Auftritt. Langsam senkte er den Kopf und die Arme.
    »Töte das Opfer!«, rief jemand von unten, und eine Stimme nach der anderen nahm den Ruf auf, bis schließlich der rhythmische Laut aus Tausenden von Kehlen die Tempelwände heraufbrandete: »Töte es, töte es, töte es!«
    Bewegte sich da nicht das Opfer? Nein, sicherlich war es nur der Wind, der das Haar des Waldmenschen und den Saum seines Schurzes hob. Naave hatte Angst, ihn näher zu betrachten – sie wollte nicht sehen müssen, dass es vielleicht der Sohn des Düsteren Canca war, der ausgezogen war, um für seinen Vater Almarafleisch zu bringen. Oder der Mann, mit dem sie im Manoqmehlspeicher bei den Yioscalos eingesperrt gewesen war …
    »Bring uns die Sonne zurück!«, hörte Naave den schrillen, irgendwie erheitert klingenden Ruf einer Frau in jenem Moment, als die Menge Atem holte. Sie meinte im bunten Gewühl überaus lange und rote Haare zu erkennen. Und einen Mann, der sich von ihrer Seite löste und sich durch das Gewühl näher heranzukämpfen begann …
    Royia.

19.
    W o willst du hin?«, schrie die Rote Yaia hinter ihm her. Er hörte sie kaum; zu laut war das hämmernde Fordern der Städter, den Bewusstlosen dort oben umzubringen. Zu opfern für den Augenblick, da sich die Sonne ohnehin über den Wipfeln des Waldes erheben würde, auch ohne dass diese Tat geschah. »Willst du den Waldmenschen etwa retten? Du bist

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