Feuer der Leidenschaft
rief Kenneth. »Der Familienschmuck der Wildings! Ich fasse, es nicht! Ich kann es nicht glauben!«
Er griff nach dem Brief und riß ihn auf. Während Rebecca und Catherine an den Tisch herandrängten, las er laut vor:
»An Beth und Kenneth: Ich bin zu der Einsicht gekommen, daß der Familienschmuck der Wildings Euch beiden gehört. Meine besten Wünsche zu Deiner Vermählung, Beth. Hermione Kimball.«
Mit großen, geweiteten Augen nahm Beth nun ein Paar mit Saphiren besetzte Ohrringe aus der Kassette und ließ sie sacht auf der Handfläche hin- und herrollen. »Ich hätte nicht gedacht, daß ich diese Sachen in meinem Leben noch einmal sehen würde. Wie wunderbar großzügig von Hermione!«
»Ich glaube es nicht«, sagte Kenneth im nüchternen Ton.
»Diese Frau hat in ihrem ganzen Leben noch nie eine Anwandlung von Selbstlosigkeit gehabt.«
»Trotzdem liegt der Beweis dafür jetzt hier vor uns auf dem Tisch«, erwiderte Beth stirnrunzelnd und legte die Ohrringe wieder in ihr mit Samt ausgeschlagenes Behältnis zurück. »Und ich habe sie nicht einmal zu meiner Hochzeit eingeladen.« Sie blickte zu ihrer Gastgeberin hoch. »Sie wird zwar nicht mehr rechtzeitig zur Trauung kommen können, aber dürfte ich ihr eine Einladung zum Hochzeitsfrühstück schik-ken?«
»Aber natürlich«, erwiderte Catherine. »In dem Schreibtisch dort drüben in der Ecke findet Ihr Papier und Tinte. Ich werde dann, wenn Ihr den Brief geschrieben habt, sogleich einen Lakaien losschicken, der ihr die Einladung zustellt.«
Während Catherine und Beth zum Schreibtisch gingen, faltete Kenneth den Brief, der sich in der Kassette befunden hatte, wieder zusammen und steckte ihn in seine Rocktasche.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, meinte er kopfschüttelnd.
»Ich auch nicht«, sagte Rebecca still. »Diese Frau ist eine Schlange. Schlangen mögen sich zwar häuten, verändern aber nie ihre Muster. Sie muß damit irgendeinen höheren Zweck verfolgen.«
»Ich wünschte, ich wüßte, was es ist. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was für einen Vorteil sie sich davon versprechen könnte, daß sie uns den Familienschmuck zurückgibt«, sagte Kenneth stirnrunzelnd.
Rebecca berührte mit den Fingerspitzen das mit glitzernden Diamanten besetzte prächtige Halsband, das Hermione auf dem Ball der Candors getragen hatte. Eines Tages würde Kenneths Frau sich mit diesen Juwelen schmücken. »Ist der Familienschmuck vollzählig?« fragte sie.
»Ich weiß nicht.« Kenneth untersuchte nun den Inhalt der Kassette genauer. »Ich denke schon. Es sind allerdings ein paar Stücke darunter, an die ich mich nicht erinnern kann.«
»Vielleicht hat sie ein paar von ihren persönlichen Schmuckstücken hinzugetan. In einem Anfall von Reue, weil sie deine Familie ausgeplündert hat«, meinte Rebecca. Als Kenneth ungläubig schnaubte, fuhr sie mit einem leisen Lachen fort: »Oder Hermione hat sich gestern abend sinnlos betrunken und in einem Anfall geistiger Umnachtung die Kassette an dich adressiert. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, einem ge-schenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Da sich die Juwelen nun in deinen Händen befinden, gehören sie auch dir.«
Als Rebecca das sagte, nahm das Gesicht ihres Begleiters einen Moment lang einen entrückten Ausdruck an. Ehe Rebecca ihn fragen konnte, was er gerade dachte, erhob Beth sich vom Schreibtisch und läutete Cathe-rine nach einem Diener.
Kurz daraufkam ein Lakai ins Zimmer, nahm Bethens Brief entgegen und sagte zu Catherine: »Die Kutsche für das Brautpaar steht bereit, Mylady.«
Catherine drehte sich zu den anderen um: »Sind wir alle soweit, daß wir losfahren können? Ich werde den Butler bitten, die Kassette solange an einem sicheren Ort zu verwahren, bis wir wieder zurück sind.«
»Einen Moment noch«, sagte Kenneth und nahm ein herrliches, aus mehreren Schnüren bestehendes Perlen-halsband aus der Kassette. »Nun kannst du dich mit Mutters Perlen trauen lassen, Beth. Sie sagte immer, daß sie eines Tages dir gehören sollten.«
»Was für ein wunderbarer Segen, der mir an diesem Tag zuteil wird«, sagte Beth gerührt, als ihr Bruder ihr das Halsband umlegte. »Jetzt bereue ich all die häßlichen Sachen, die ich Hermione nachgesagt habe. Unter ihrer schillernden Oberfläche muß sie ein gutes Herz versteckt haben.«
Rebecca war sich dessen nicht so sicher. Kenneths Stiefmutter hatte zweifellos eine schillernde Oberfläche, doch die bestand aus
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