Feuer der Leidenschaft
Haus ist keine Meile von Sir Anthonys Wohnung entfernt. Sollte ihm zu Ohren kommen, daß man mich in Euer Haus hat gehen sehen, muß ich damit rechnen, daß ich mich keine fünf Minuten später auf der Straße wiederfinde. Aus dem gleichen Grund solltet Ihr mir auch keine Briefe in sein Haus
schicken, solange es sich nicht um einen Notfall handelt.«
Kenneth reichte Bowden einen Zettel hinüber, auf dem eine Adresse vermerkt war. »Das ist die Poststelle, an die ich mir meine private Korrespondenz schicken lasse, die ich täglich oder spätestens jeden zweiten Tag von dort abhole.«
Bowden verwahrte den Zettel in einer Schublade seines Schreibtischs. »Trotzdem vertraue ich darauf, daß Ihr jetzt, nachdem Ihr Euch im Haus meines Bruders etabliert habt, mit Euren Ermittlungen zügiger vorankommt.«
»Möglich, aber ich habe trotzdem das Gefühl, daß sich meine Untersuchungen länger hinziehen werden, als wir beide uns das wünschen.« Kenneth erhob sich aus seinem Sessel. »Einen angenehmen Tag noch, Lord Bowden. Und bemüht Euch nicht, ich finde schon allein hinaus.«
Er verließ das Arbeitszimmer seines Auftraggebers und hielt dann draußen im Schatten einer Säule in der Halle an, weil der Butler gerade eine kleine, grazile Frau mit silbrigen Haaren ins Haus ließ. Aus der Weise, wie der Butler die Dame begrüßte, schloß er, daß es sich hier um Lady Bowden handeln mußte. Bowden hatte also geheiratet - und wenn auch nur aus dem Grund, damit sein verhaßter Bruder eines Tages nicht seinen Titel erben würde.
Als Lady Bowden sich zur Treppe begab, entdeckte sie Kenneth und begrüßte ihn mit einem geistesabwesenden Nicken. Kenneth fragte sich, was für eine Ehe das wohl sein mochte, wenn Bowdens Gefühle nach so langer Zeit noch immer von seiner ehemaligen Verlobten beherrscht wurden.
Auf dem Weg zurück zu Seatons Haus, dachte er daran, daß er sich inzwischen in seiner Stellung als Sir Anthonys Sekretär recht wohl fühlte. Vater und Tochter wurden so sehr von ihrer Malerei in Beschlag genommen, daß sie ihn nicht danach fragten, was er denn den ganzen Tag über machte, solange er seine Arbeit zu ihrer Zufriedenheit verrichtete. Sir Anthonys Freunde hatten den neuen Sekretär so rückhaltlos und wohlwollend akzeptiert, daß sie in seiner Gegenwart kein Blatt vor den Mund nahmen, sondern offen über alles redeten, als gehörte er zur Familie. Auf diese Weise hatte er bereits einige ihm nützlich erscheinende Tatsachen erfahren.
Es hatte etwas länger gedauert, bis auch das Personal seine Autorität rückhaltlos anerkannt hatte. Aber nachdem er die faulste Dienstmagd entlassen und einen tüchtigen Mann namens Minton als Butler engagiert hatte, hatte er keinen Grund mehr, sich über ihre mangelnde Dienstauffassung zu beschweren. Bald würde der Haushalt so reibungslos funktionieren wie ein gut geöltes Räderwerk.
Dann waren da noch diese herrlichen Kunstwerke im Haus, die er in seinen seltenen freien Momenten bewundern konnte. Er bedauerte nur, daß er so wenig von i Rebecca sah. Nachdem sie am ersten Tag, als sie ihn in seine Pflichten einwies, so ausführlich miteinander geredet hatten, hatte er geglaubt, daß es einfach für ihn wäre, ihr Vertrauen zu gewinnen und mehr über den Tod ihrer Mutter zu erfahren. Aber wie er soeben Lord Bowden erzählte hatte, bekam er sie jetzt nur noch selten zu Gesicht. Und da beim Dinner in der Regel auch geladene Gäste mit am Tisch saßen, konnte er auch diese Mahlzeiten nicht zu einem ernsthaften Gespräch mit ihr benützen. Sie pflegte schweigend ihre Mahlzeit zu verzehren und sich dann mit einer Entschuldigung wieder zurückzuziehen, sobald sich die Tischgesellschaft zu einem Brandy in den Salon begab.
Er hatte sich ein paarmal gefragt, ob sie ihn wohl absichtlich mied, was er jedoch eher für unwahrscheinlich hielt. Sie hatte eben nur ganz andere Interessen, und nachdem sie ihn als Teil des Haushalts akzeptiert hatte, schenkte sie ihm so viel Beachtung wie einem der zahlreichen Möbelstücke, von denen sie umgeben war. Er mußte irgendeinen Vorwand finden, um wieder mit ihr ins Gespräch zu kommen.
Das Vertrackte daran war, daß sein Wunsch, mehr von Rebecca zu sehen, nicht nur in seinem Auftrag begründet war, sondern daß er auch mehr über ihr Talent wissen wollte, ihr scharfkantiges Wesen und ihre versteckte Sinnlichkeit. Und der Umstand, daß sein Interesse an ihr größer war, als seine Mission das rechtfertigte, verleidete ihm diese noch mehr. Denn wenn
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