Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
der Überzeugung war, er könne es nicht ertragen, die Sonne wieder aufgehen zu sehen, an die vielen Nächte, in denen es ihm unerträglich erschienen war, einen weiteren Tag zu erleben. Doch er hatte weitergelebt.
„In meinem Leben geht es darum, einen Ehemann zu finden, Mr. Sharpe“, wisperte sie. „Das ist der Inhalt meiner Tage.“
Er wollte erwidern, dass es auch weiterhin so sein konnte, doch stattdessen sagte er: „Dann sollten Sie vielleicht einen neuen Lebensinhalt finden, Miss Hamilton.“
Dann öffnete er die Tür für sie, sah zunächst prüfend hinaus auf den Korridor und schaute ihr dann hinterher.
Das also hatte sie mit ihrer Suche nach einem Mann erreicht, der ihr eine Zukunftsperspektive bot.
Grace warf ihre zerknüllten Seidenhandschuhe auf die glatte Tagesdecke ihres Bettes und ging zum Glockenzug, um eine von Lady Prudence’ Zofen herbeizurufen. Im Gegensatz zu den anderen Frauen, konnte sie es sich nicht leisten, ihre eigene mitzubringen.
Ein schwerer, ungewohnter Geruch drang ihr in die Nase, und sie geriet in Panik. Hastig ließ sie das Band mit der Quaste am Ende los, denn sie hätte ebenso gut ihre Todesglocke läuten können. Sie roch nach ihm.
Von einer Zofe konnte sie sich nicht helfen lassen. Nicht wenn sie in einem Kleid steckte, das völlig zerdrückt war, während ihre Haare wirr herunterhingen und sie den unverwechselbaren Geruch eines Mannes an sich hatte. Aber es war unmöglich, ihr Kleid und ihr Mieder allein auszuziehen. Außerdem benötigte sie Wasser zum Waschen.
Während sie mit den Knöpfen ihres Kleides kämpfte, ging sie zu dem Tisch, auf dem Krug und Waschschüssel standen. Es war noch ein wenig Wasser übrig, zwar kalt, aber vielleicht genug, um seinen Geruch loszuwerden. Sie konnte in ihrem Mieder schlafen – nun, nicht schlafen, aber auf die Morgendämmerung warten – aber da war immer noch ihr Kleid.
Während sie sich mit den Knöpfen abmühte, die sie erreichen konnte, und ächzend auf und ab sprang, damit das Kleid herunterrutschte, murmelte Grace laut vor sich hin: „Lord Wesley ist eine feige Ratte, die es nicht wert ist, meine Schuhe zu lecken. Pferdeäpfel sind edler als er!“
Das mochte albern sein, aber sie fühlte sich danach besser. Und als sie mit einem letzten Ruck ihr Kleid nach unten zog und aus den Stoffmassen heraustrat, seufzte sie erleichtert auf. In der Hoffnung, dadurch würden sich von selbst die vielen Falten erklären, ließ sie das Kleid als wirren Haufen am Boden liegen und zog eine Grimasse, während sie das letzte Wasser in die Schüssel goss.
Wahrscheinlich war das die Strafe, wenn man sich wie eine Idiotin benahm. Erschaudernd tauchte sie den Waschlappen ins kalte Wasser.
Die Ehe hatte ihre Rettung sein sollen – der einzige Ausweg –, und nun hatte sie diese Möglichkeit für immer verspielt. Als Buße rubbelte sie sich unbarmherzig mit dem kalten Waschlappen ab.
Was sollte sie jetzt nun tun? Sie hatte keines der Talente ihres Vaters geerbt, anders als Venetia, die malen konnte, und ihre Schwester Maryanne, die eine wunderbare Autorin war. Sie war nicht im Geringsten künstlerisch begabt, wenn man von der Fähigkeit absah, sich in dramatische Situationen zu bringen.
Von allen drei Töchtern Rodessons hatte sie am meisten von ihrer Mutter Olivia geerbt – ihr blondes Haar, fein und hell, aber kräftig genug, um sich zu locken und zu wellen, und die berühmten Gesichtszüge ihrer Mutter. Ihre Augen waren grün, wie die ihres berüchtigten Vaters. Die Herren bewunderten ihre Figur, die sie selber zu üppig und ausladend fand. Doch die ältlichen Matronen von Maidenswode, diejenigen, die sich nicht mehr die Mühe machten, ihre Zunge zu hüten, behaupteten, dass Männer einen großen Busen anziehend fanden. Ihre Brüste waren offenbar ihr Gewicht in Gold wert.
Mit Sicherheit hatte Lord Wesley ihre Brüste bewundert. Offensichtlich waren sie das Einzige an ihr gewesen, das er gewollt hatte.
„Nein“, sagte Grace mit lauter Stimme, um der Bemerkung mehr Nachdruck zu verleihen, und spülte den Waschlappen aus. „Ich muss nach vorne schauen. Ich muss entscheiden, was ich nun tun werde. Die Ehe bleibt immer noch eine Möglichkeit. Ich könnte einen älteren Gentleman heiraten. Ich bin sicher, es gibt eine ganze Menge älterer, wohlhabender Edelmänner, die gerne an meine Brüste möchten …“
„Du musst dich nicht auf diese Weise verschachern, Süße.“
Beim Klang der vertrauten, tiefen Männerstimme fuhr sie
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