Feuer der Nacht
einmal ausholte, weil sie sich nichts mehr wünschte, als diesem Luder eins auf die Nase zu geben.
»Wenn die Selbstständigen ihre Jobs behalten wollen, werden sie klug genug sein, den Mund zu halten«, meinte Carrie, aber ihren kalten, wachsamen Augen war zu entnehmen, dass sie sich nicht ganz sicher war.
Jaclyn schaubte. »Wenn sie gehen, haben sie alle innerhalb von einer Stunde einen neuen Auftrag. Und genau das gilt für mich auch«, fügte sie hinzu. »Und zwar von jemandem, der mir sympathischer ist. Schöne Hochzeit! Vielleicht kommt ja sonst noch jemand – außer dem armen Opfer, ich meine: Ihrem Bräutigam.«
Der kindliche Seitenhieb vermochte ihren Ärger auch nicht zu mindern, aber zumindest fühlte sie sich anschließend besser. Sie machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon. Aus irgendeinem Grund rief ihr Carrie nichts hinterher, sodass sie sogar die Befriedigung hatte, das letzte Wort gehabt zu haben.
Mit jedem Schritt wurde das Gewicht auf ihren Schultern leichter. Frei! Die Art und Weise war scheußlich, aber sie war befreit von der Last, sich je wieder mit Carrie Edwards auseinandersetzen zu müssen. Was nun passierte, war ihr Problem nicht. Als sie ihr Auto erreichte, machte sich langsam die Erkenntnis breit, dass die brennende Backe das Endresultat wert war.
Sie schloss den Wagen auf und öffnete die Tür. Dann wartete sie einen Augenblick ab, damit die nachmittägliche Gluthitze drinnen sich langsam verzog. Sie holte ihr Handy heraus und rief ihre Mutter an. Madelyn ging gleich gutgelaunt dran, offensichtlich neugierig, wie der Nachmittag gelaufen war – aber auch wieder nicht so neugierig, um den Nachmittag im Empfangssaal zu verbringen, mitten im Schlachtgetümmel.
»Alles erledigt?«, fragte sie.
»Ja – in mehr als einer Hinsicht.«
Madelyns Stimme veränderte sich sofort, wurde argwöhnisch. »Was ist passiert?«
»Viel. Wir werden den Selbstständigen jede Menge Jobs zuschanzen müssen, damit sie uns Carrie Edwards verzeihen. Gretchen hat hingeschmissen. Die anderen tun das vielleicht auch noch. Und, das Beste überhaupt: Carrie hat mich gefeuert.« Sie wollte momentan nicht in die Details gehen, weil sie emotional noch zu sehr unter Strom stand; sie hatte sich halbwegs im Griff, allerdings mit Mühe, aber sie brauchte Zeit, um sich zu beruhigen, bevor sie Madelyn genau mitteilte, wie alles den Bach hinuntergegangen war.
»Hallelujah«, seufzte Madelyn. »Erzähl mir alles. Können wir uns im Claire auf einen Kaffee treffen? Ich muss fast noch eine Stunde rumkriegen bis zum Termin mit der Hochzeitsgesellschaft heute Abend.«
Eine Tasse Kaffee und vielleicht noch so ein sagenhafter Blaubeer-Muffin – eine gute Gelegenheit, um nach dem hitzigen Nachmittag zu entspannen. »Ich bin in nicht mal zehn Minuten da.«
»Ich in fünf. Sag mir, was du willst, dann bestell ich schon für dich.«
Jaclyn tat, wie geheißen, beendete das Telefonat und sprang ins Auto. Als sie den Motor anließ, fuhr ein silberner Sedan auf den Parkplatz rechts von ihr. Ein Mann stieg aus dem Auto, und sie hielt eine Sekunde inne, weil sie sich fragte, ob Carrie noch andere Termine vereinbart hatte, von denen sie nichts wusste. Es war schließlich alles möglich. Doch sie kannte den grauhaarigen Mann nicht; er trug einen gut geschnittenen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine rote Krawatte. Vermutlich wollte er zu Melissa, um den Saal zu buchen. Er warf einen Blick in ihre Richtung, als er auf die Seitentür zuschritt, doch mit seinen Gedanken war er eindeutig woanders.
Hoffentlich hatte er das Glück, Carrie nicht anzutreffen. Ansonsten: Pech für ihn!
Aber ihr Problem war dies jedenfalls nicht.
7
Jaclyn nutzte die relativ kurze Fahrt, um ihre Gedanken zu ordnen und sich zu beruhigen, weil Madelyn sich schon genug aufregen würde, sobald sie erfuhr, was passiert war. Sie wollte ihrer Mutter mit ihrem Gefühlschaos nicht noch zusätzliche Aufregung bereiten. Sie wollte ruhig und fröhlich von der Sache berichten, selbst wenn sie die Art und Weise total auf die Palme brachte.
Sie dachte bewusst nicht an Carrie. Stattdessen stellte sie sich eine schöne Tasse dampfenden Kaffee vor und einen warmen Blaubeer-Muffin. Sie gönnte sich Muffins nicht so oft, deshalb war das nun wirklich eine Leckerei, eine, die sie verdient hatte, wie sie fand – als Belohnung oder auch zum Trost. Als sie an den Kaffee dachte, fiel ihr Eric ein, und sie fragte sich, ob er wohl Blaubeer-Muffins mochte, und wenn ja,
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