Feuer der Nacht
nicht erkennen, selbst wenn er sie in den Hintern bisse.« Er tätschelte ihr den Arm. Er war groß und muskulös, mit gebleichtem blondem Haar und einem exotischen schwarzen Ziegenbart – physisch also so ziemlich das krasse Gegenteil von der kleinen, biederen Estefani. Da sie oft zusammenarbeiteten, kannten sie sich schon seit Jahren; zwischen den beiden schien echte Zuneigung zu bestehen; jedenfalls hörte sie viel eher auf ihn als auf das, was Jaclyn von sich gab, um sie zu beruhigen.
Audrey Whisenant, die Chefkonditorin, zuckte mit ihren muskulösen Schultern. Sie war früher einmal Schwimmerin bei der Olympiade gewesen und verbrachte noch immer viel Zeit im Wasser; nachdem sie eine Bronzemedaille gewonnen hatte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass Wettkämpfe ihr Ding nicht waren. Stattdessen widmete sie sich nun ihrer zweiten Leidenschaft: dem Backen. Ihre Torten waren Kunstwerke, irgendwie leichter und samtener in der Textur als die üblichen Hochzeitstorten. Im Gegensatz zu vielen anderen Konditoren verzierte sie ihre Meisterwerke sogar höchstpersönlich. »Ach, wenn ich sie bloß dazu kriegen könnte, ihre Torten auszuwählen – die Geschmacksrichtungen und Füllungen. Mir bleiben zwar ein paar Wochen Spielraum, aber ich möchte die Einzelheiten jetzt festlegen, weil ich nächste Woche in Urlaub gehe.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob wir mit Ihnen weiterkommen; vielleicht beruhigen sich dann ja auch die Wogen zwischen …«
Hinter ihnen zwitscherte Carrie ihrem armen arglosen Bräutigam ein fröhliches »Also dann tschüss, ich liebe dich!« zu, gefolgt von einem fürchterlichen Getöse, als sie mit dem Arm über den Tisch fegte und Estefanis Buch, Kebabspieße, Tortenproben, Bänder, Broschüren, diverse Kulis und Jaclyns Terminkalender quer über den Boden segeln ließ.
» Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?« Carries Stimme war nicht laut, jedoch voller Bosheit, als sie auf die anderen zuging. Melissa, Bishop und Audrey wichen etwas zurück, doch Jaclyn hielt die Stellung; sie meinte wohl, es gehöre zu ihrem Job, sich zwischen die anderen und die nahende Teufelsbraut zu stellen. Estefanis Augen verengten sich zu Schlitzen, ihr kleiner klopsartiger Körper spannte sich an, als machte sie sich bereit, mit harten Bandagen zu kämpfen. Bei der Vorstellung verzog sich Jaclyns Mund, und sie unterdrückte ein Grinsen.
»Audrey ist nächste Woche in Urlaub«, sagte Jaclyn in der Hoffnung, Carries Aufmerksamkeit abzulenken. »Die Torten hätten eigentlich noch Zeit, aber wenn es Ihnen möglich wäre …«
Der Schlag kam aus dem Nichts. Carries Handfläche knallte an ihre linke Wange, dass sie zurücktaumelte. Einen Augenblick waren Schock und Überraschung so groß, dass Jaclyn den Bezug zur Realität verlor. Doch da bemerkte sie auch schon, wie sie, die Hand an die brennende Wange gepresst, dastand und Bishops muskulöse Arme sie umfassten, bis sie wieder ihr Gleichgewicht fand.
»Sie sind gefeuert!« , schleuderte Carrie ihr entgegen. Ihr hübsches Gesicht war vor Wut verzerrt, ihr Blick jedoch beunruhigend kühl und ruhig, als würden zwei Persönlichkeiten denselben Körper bewohnen. »Wie können Sie es wagen, hinter meinem Rücken über mich zu reden, mir den Leuten gegenüber in den Rücken zu fallen, die ich für den jeweiligen Auftrag engagiert habe? Vom ersten Tag an haben Sie alles getan, was in Ihrer Macht stand, um mir meine Hochzeit zu versauen! Aber das war jetzt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat! Sie können froh sein, wenn Sie später noch für einen Klempner die Hochzeit planen können. Niemand in Buckhead wird Sie je wieder engagieren, und Sie wissen, was das bedeutet! Außerdem will ich mein Geld zurück, weil Sie es nämlich wahrhaftig nicht verdient
haben!«
Jaclyn schwirrte der Kopf, aber sie richtete sich voll auf und drückte ihre weichen Knie durch. Der Stolz ließ sie die Hand von ihrem Gesicht nehmen, als hätte der brennende Schmerz nachgelassen. Ihr Herz raste so schnell, dass sie kaum atmen konnte. Ihre rechte Hand formte eine Faust. Sie konnte spüren, dass sich ihre Armmuskulatur wie von selbst anspannte, als führte sie ein Eigenleben. Doch Bishop erkannte, was passieren würde, und legte ihr warnend eine Hand aufs Handgelenk – und die andere auf die Schulter von Estefani. »Nicht«, murmelte er so leise, dass Carrie ihn nicht hören konnte. »Das Luder würde Sie wegen Körperverletzung festnehmen lassen.« Hinter Carrie hatte Irina
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