Feuer der Nacht
Burschen mit wachen Augen und großen Ohren geschnappt, der vor Begeisterung, ins Fernsehen zu kommen, schier ausflippte. Warum hatten sie nicht einen schüchternen Knaben nehmen können, der zu Tode erschrocken war und sein Gesicht in Mamas Armbeuge verbarg?
Es war überall in den Mittagsnachrichten gekommen. » Wosch!«, hatte der Bursche gesagt, um Erics Bewegung nachzumachen, als er dem Blödmann den Kaffee ins Gesicht gekippt hatte. Der Bursche hatte von einem Ohr zum anderen gegrinst – wie an Weihnachten. »Dann hat er dem Räuber die Knarre abgenommen und hat ihn auf das Auto gedonnert: Wumm, genau so.« Er machte auch diese Bewegung nach. »Und dann hat er gesagt, er würde nie mehr im Leben wegen einem verdammten Scheißkaffee anhalten!«
Das »Scheiß« wurde zensiert, aber Garvey hatte recht, es bestand kein Zweifel, was der Bursche gesagt hatte.
Er klopfte an die Tür von Lieutenant Neilles Büro und öffnete sie nach dem schwachen »Herein«. »Sie wollten mich sprechen?« Er hörte sich in seinen eigenen Ohren missmutig an, aber das war ihm jetzt auch egal.
»Setzen Sie sich.« Neille lehnte sich in seinem schwarzen Ledersessel zurück – mit perplexer Miene. »Wilder, haben Sie irgendwelche Einwände, eine Verhaftung mithilfe normaler Methoden vorzunehmen?«
Eric ließ sich in den Besucherstuhl fallen. »Das Lokal war voller Leute. Ich wollte nicht, dass dort die Kugeln fliegen.« Damit hätte die Sache eigentlich klar sein müssen.
»Ich weiß gar nicht, wie jemand so viel Schwein haben kann; schließlich hatte der Bursche keine richtige Pistole. Wenn Sie auf ihn geschossen hätten, würden die Medien jetzt einen Riesenzirkus veranstalten.«
»Wenn ich wirklich Schwein hätte, würde ich nicht ständig in solche Situationen geraten«, erwiderte er verstimmt.
»Jedenfalls hat das Büro vom Bürgermeister angerufen, mir liegen bereits fünf Anfragen bezüglich eines Interviews mit Ihnen vor, und eine gemeinnützige Organisation will wissen, ob Sie vielleicht einer von den Singles sind, die zur Versteigerung anstehen …«
»Verdammt, natürlich nicht!«, blaffte Eric los, bekam sich aber wieder in den Griff. »Tut mir leid, Sir.«
Neille grinste. »Habe ich mir auch nicht vorstellen können; ich habe in Ihrem Namen abgelehnt.« Noch immer grinsend verschränkte er die Arme hinter dem Kopf. »Ich weiß allerdings nicht, ob ich Ihnen die Interviews ersparen kann. Sie haben zwei Tage hintereinander einen bösen Buben auf sehr unkonventionelle Weise gefasst, und der Bürgermeister meint, das wäre super für die Publicity.«
»Bloß dass ich keine Zeit für Publicity habe.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich ermittle in einem Mordfall, ich habe Verdächtige wie Sand am Meer, aber keiner kommt irgendwie richtig für die Tat in Frage, und dieser Zirkus hat mich schon fast den ganzen Vormittag gekostet.«
»Verstehe. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, und vielleicht passiert ja noch was, sodass sich das Rampenlicht von Ihrem Strahlegesicht auf jemand anderen richtet. Aber wenn der Bürgermeister sagt, dass Sie die Interviews geben müssen, dann führt kein Weg daran vorbei.«
»Ja, Sir.« Frustriert stand Eric auf und ging wieder hinunter in sein Büro zu dem Stapel Papierkram, der ihn dort erwartete. Es war nicht gerade hilfreich, dass jeder seiner Schritte mit einem Grinsen bedacht wurde. Ausgerechnet heute stahl man ihm die Zeit, wenn er mehr um die Ohren hatte, als sich überhaupt schaffen ließ.
Er starrte den Riesenstapel Berichte und Akten auf seinem Schreibtisch an. Eines fesselte ihn an Fernsehkrimis wirklich: Nie wurde der Berg von Papierkram gezeigt, durch den sich die Bullen bei jedem Fall kämpfen mussten, und zwar tagtäglich. Berichte mussten geschrieben und gespeichert werden, Anfragen geschrieben und gespeichert werden, jeden noch so kleinen Beweis galt es, lückenlos zu dokumentieren.
Er ließ sich auf seinen Stuhl sinken und fing an, die Berichte durchblättern, um zu sehen, welchen er zuerst lesen musste. Es war ihm klar, dass der Bericht über Jaclyns Kleidung noch nicht vorliegen konnte; er hatte sie ja erst gestern Nacht eingereicht. Das Labor hatte vermutlich noch nicht einmal mit der Arbeit begonnen; die Kleidung war nass gewesen, und sie mussten sie zuerst an der Luft trocknen lassen, bevor sie mit ihren Analysen anfangen konnten.
Es lag ein vorläufiger Bericht über das Material vor, das die Kriminaltechniker gefunden hatten. Aber noch
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