Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Schlafzimmer. Ihre Matratze ist auf den Boden geworfen worden, sämtliche Klamotten sind aus dem Schrank gezerrt und im ganzen Zimmer verteilt. Es sieht aus, als wäre jemand auf dem Laptop herumgetrampelt, den sie von Ulf und Tina bekommen hat. Die Nähmaschine ist aufgebrochen und kaputt. Der Inhalt ihrer Erinnerungskiste liegt auf dem Boden verstreut. Bilder, Briefe, Andenken. Ihre gesamte Vergangenheit durchwühlt. Zerfetzt. Zerstört.
Aber sie lebt.
Als sie in das schwarze Wasser eintauchte, passierte etwas mit ihr.
Erst verkrampften sich ihre Arme und Beine und sie wurde von einer Unterwasserströmung erfasst. Ihr Körper kämpfte ums Überleben, der Atemreflex war so stark, dass er drohte, ihr den Mund zu öffnen und Wasser in die Lungen zu ziehen.
Aber dann erwachte etwas Neues in ihr.
Linnéa hat schon öfter ausprobiert, ob sie Wasser beherrschen kann. Hat versucht, es gefrieren oder verdampfen zu lassen. Es hat nie funktioniert. Aber dort unten im Kanal strömte die Energie plötzlich aus ihrem Körper, umgab sie mit einer schützenden, wärmenden Hülle. Wie ein magischer Tauchanzug.
Und mit einem Mal konnte sie die Beine bewegen. Sie machte einen Schwimmzug, und es war, als würde sie nach oben gezogen, als wäre sie ein Korken, nicht dafür gemacht zu sinken.
Als sie die Oberfläche durchbrach und die kalte Nachtluft einatmete, rauschten die Endorphine durch ihren Körper. Wie eine Eisschicht legte sich die Kälte über ihr nasses Gesicht.
Irgendwie schaffte sie es an Land. Sie hustete, bis sie sich übergeben musste, jeder Atemzug stach wie tausend Eisnadeln in ihrer Lunge.
Sie kroch die steile Böschung nach oben, rutschte mit ihren schweren, durchnässten Stiefeln in dem nassen Lehm ab, krallte sich mit steif gefrorenen Fingern fest, um Halt zu finden. Schließlich ist sie auf dem asphaltierten Fußweg zusammengebrochen.
Es war Viktors Gedanke, der sie weckte.
Linnéa? Was ist passiert?
Linnéa öffnete die Augen und brachte das, was sie sah, nicht mit der Wirklichkeit überein. Sie lag auf der Seite und sah nur Asphalt und ein paar dunkle Hosenbeine in völlig falschem Winkel.
Viktor beugte sich zu ihr nach unten und wickelte sie in seinen Mantel. Dann nahm er ihre eiskalten Hände, und sie spürte, wie seine Magie sie durchströmte, wie sich das Wasser in ihren Kleidern und Haaren in Dampf verwandelte und sie trockener wurde.
Komm.
Er half ihr auf, und halb zog, halb trug er sie den ganzen Weg bis zu seinem Auto, das vorm Herrenhof parkte. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und er machte die Türen zu und schob den Heizungsregler bis zum dunkelroten Teil der Skala hoch.
Linnéa wickelte den Mantel noch fester um sich. Langsam entspannte sich ihr Körper und mit der Entspannung kam eine betäubende Müdigkeit.
Was ist passiert?
, fragte Viktor in ihrem Kopf.
Sie haben mich gezwungen zu springen
, antwortete sie, überrascht darüber, wie einfach es war, auf diese Weise zu kommunizieren.
Dich gezwungen? Wer?
»Erik Forslund. Robin Zetterqvist.«
Sie nuschelte. Sie sah, dass Viktor sein Handy nahm, und setzte sich auf, zwang sich zurück in den Wachzustand.
»Nicht die Polizei anrufen«, sagte sie.
»Sondern?«
»Ich schwöre dir, sie werden ein Alibi haben. Ich konnte ihre Gedanken hören. Erik würde es niemals wagen, so etwas zu tun, wenn er nicht ganz sicher wäre, dass er nichts zu befürchten hat. Es wird Aussage gegen Aussage stehen.«
Viktor sah sie unentschlossen an.
»Du solltest wissen, wem die Polizei für gewöhnlich glaubt«, sagt Linnéa. »Wohl kaum einer wie mir. Nicht in dieser Stadt.«
Er legte sein Handy zurück.
»Warum haben sie das getan?«, fragte er.
»Sie haben mich schon immer gehasst«, sagte Linnéa. »Sie hassen jeden, der anders ist. Und jetzt haben sie eine ganze Organisation im Rücken. Ich bin ziemlich sicher, dass sie einen Auftrag hatten, auch wenn es vermutlich nicht geplant war, so weit zu gehen.«
»Wer sollte so einen Auftrag erteilen?«
»Ich will nicht darüber reden.«
Viktor trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad.
»Ich muss Alexander fragen, ob er damit einverstanden ist, die Polizei rauszuhalten«, sagte er. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass er keine Einwände haben wird. Die offizielle Haltung des Rats ist, dass man Konfrontationen mit der nicht-magischen Gesellschaft möglichst vermeiden soll.«
Viktor warf Linnéa einen Blick zu.
»Warte hier, ich hole dir trockene Kleider«, sagte er. »Dann bringe ich dich
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