Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
verbrennen.
Anna-Karin kann es nicht ertragen. Sie muss Verantwortung übernehmen. Sie muss die Wahrheit sagen.
Sie versucht aufzustehen, aber Linnéa zieht sie sofort zurück.
»Wir brauchen dich«, flüstert sie Anna-Karin zu, als hätte sie verstanden, was Anna-Karin vorhatte. »
Die Welt
braucht dich. Adriana weiß das auch. Glaubst du, sie wäre sonst ein solches Risiko eingegangen?«
Anna-Karin fängt an zu weinen, versucht, das Schluchzen zu unterdrücken, aus Angst, die Richter zu reizen und es für Adriana noch schlimmer zu machen.
Alexander hebt die Hand und Adrianas Körper entspannt sich.
»Wir können beliebig lange so weitermachen. Sag uns besser jetzt die Wahrheit. Um deinetwillen.«
Er klingt beinahe traurig und das macht Anna-Karin noch mehr Angst. Wie kann er so etwas tun und gleichzeitig Gefühle haben?
»Ich werde die Mädchen niemals ausliefern«, sagt Adriana. Sie atmet schwer und angestrengt. »Niemals.«
»Du stellst dich also auf ihre Seite und gegen den Rat?«, sagt Alexander.
»Mir war nicht bewusst, dass es um unterschiedliche Seiten geht. Ich dachte, der Rat würde den Auserwählten helfen. Offenbar habe ich mich geirrt.«
Aufgebrachtes Murmeln wird im Saal laut.
»Ich werde keine weiteren Fragen beantworten«, sagt Adriana.
Die alte Frau in der Mitte wendet sich ihr ungerührt zu.
»Das ist auch nicht nötig. Wir sind bereit, das Urteil zu verkünden«, sagt die Richterin. »Anna-Karin Nieminen. Steh auf.«
Vanessa steht auf. Anna-Karin zwingt sich hinzusehen. Sie muss stark sein, obwohl ihr die Tränen herunterlaufen. Mutig. Wie Adriana.
Die Richterin faltet die Hände auf der Tischplatte und beugt sich nach vorne.
»Die Welt steht vor einer neuen magischen Epoche«, sagt sie. »Mit Magie geht Macht einher und Macht lässt sich immer missbrauchen. Deshalb sind in diesen Tagen die Ideale des Rats wichtiger denn je. Kontrolle. Ehrlichkeit. Demut. Selbstlosigkeit. Die Angeklagte hat keine dieser Tugenden gezeigt. Im Gegenteil. Sie hat alles beschmutzt, was dem Rat heilig ist.«
Und Anna-Karin weiß, dass es vorbei ist.
»Anna-Karin Nieminen«, sagt die Richterin. »Das Gericht hat entschieden, dich von der Anklage freizusprechen.«
Anna-Karin kann die Worte kaum erfassen. Sie muss wieder und wieder überprüfen, ob sie wirklich das bedeuten, was sie glaubt.
»Es ist richtig, dass es Anna-Karin Nieminen an Urteilsfähigkeit mangelt«, sagt die Richterin. »Wir sind jedoch der Auffassung, dass sie nicht für ihre Fehler und ihr aufrührerisches Verhalten verantwortlich gemacht werden kann, da ihr keine ausreichende Führung zuteilwurde. Es gibt nur eine Person, die die Schuld an diesem bedauerlichen Gerichtsverfahren trägt. Adriana Lopez.«
Die Richterin zeigt mit einem knochigen Finger auf Adriana.
»
Ihre
Intrigen und ihr doppeltes Spiel sind endlich aufgedeckt worden. Sie hat systematisch Beweise gefälscht, um ihre Vorgesetzten auf die falsche Fährte zu führen, um sie dazu zu bringen, ihren absurden Theorien über auserwählte Hexen, Dämonen und Apokalypsen Glauben zu schenken.«
Hätte Anna-Karin jetzt Zugriff auf ihre Kräfte, hätte sie sie hier in diesem Saal einsetzen können, dann hätte sie den ganzen Prozess gestoppt und Adriana gerettet. Alle Konsequenzen wären ihr egal gewesen. Aber so kann sie nur dasitzen. Hilflos, wertlos – während alles zusammenbricht.
»Der Fall der sogenannten ›Auserwählten‹ in Engelsfors ist von Anfang bis Ende ein Bluff. Wir haben es mit einer Gruppe starker natürlicher Hexen zu tun, die von einer rücksichtslosen Betrügerin in die Irre geführt wurde. Sie redete den Mädchen ein, sie würden von einem Feind gejagt, der von ›Dämonen gesegnet‹ sei. Sie versuchte, diese absurde Behauptung dadurch zu verstärken, dass sie tragische Selbstmorde als Morde darstellte. Wir verdächtigen sie darüber hinaus, dass ihre Feuermagie hinter dem Brand auf dem Hof der Familie Nieminen steckt.«
Anna-Karin schaut zu den anderen Auserwählten. Alle sind still. Machtlos.
»Schon als junge Frau hat Adriana Lopez ihr wahres Ich gezeigt, indem sie ihren Eid gegenüber dem Rat brach. Es gelang ihr, ihre Richter zu manipulieren und deren Mitgefühl auszunutzen. Danach wartete sie kaltblütig ab, bis die Zeit reif war für ihre nächste Sabotage.«
»Das ist nicht wahr!«, sagt Linnéa und steht auf. »Adriana hat recht. Wir sind die Auserwählten. Und die Apokalypse kommt, egal, was Sie versuchen, sich einzureden.«
Viktor
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