Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
sehr, sehr lange.«
Es ist genau wie auf dem Herbstfest mit Felicia. Das Gefühl, vor allen anderen nackt dazustehen. Nur dass es dieses Mal noch schlimmer ist. Jetzt kommt es Ida vor, als würde sie erkennen, dass sie die ganze Zeit nackt war, ohne es gemerkt zu haben.
»Warum habt ihr mir nichts gesagt?«, fragt Ida. »Habt ihr euch hinter meinem Rücken über mich lustig gemacht, oder was?«
»Entschuldige«, sagt Minoo. »Wirklich, es tut uns leid.«
Die anderen murmeln zustimmend.
»Ja, ja, egal«, sagt Ida.
Unerklärlicherweise steht sie immer noch auf den Beinen. Das Geheimnis ist raus und sie kann nichts dagegen machen. Sollen die doch denken, was sie wollen. Ida weiß, dass Gustaf und sie sich finden werden.
»Will noch jemand etwas sagen?«, fragt Minoo.
Ida schaut auf ihre Stiefel. Sie hat noch ein Geheimnis. Das Versprechen, das das Buch ihr gegeben hat. Dass sie ihre Kräfte loswerden kann, wenn sie mit den anderen zusammenarbeitet, bis die Apokalypse verhindert ist. Und dass sie und Gustaf zusammenkommen, wenn sie ihre Pflicht erfüllt.
Aber sie hat dem Buch versprochen, es niemandem zu sagen. Und dieses Versprechen wird ja wohl wichtiger sein als ein Traum, den Anna-Karins Großvater hatte?
»Wir müssen jetzt los«, sagt Vanessa und wendet sich an Linnéa. »Ich übernehme Wille und du Jonte?«
»Was wollen wir ihnen eigentlich erzählen?«, fragt Linnéa.
»Wir müssen ihnen sagen, wie es ist. Dass sie in Gefahr sind.«
»Ihr solltet nicht alleine fahren«, sagt Minoo.
»Vielleicht kann ich helfen«, sagt Anna-Karin.
Linnéa nickt.
»Dann wäre es gut, wenn du mich begleiten würdest. Wenn wir es schaffen, Jonte zu überzeugen, bekommen wir Wille gratis dazu. Er tut immer, was Jonte ihm sagt.«
Ida seufzt innerlich. Eigentlich könnte es ihr egal sein. Sie muss ihre Hilfe nicht anbieten. Das hier ist schließlich nicht ihr Problem.
Aber das stimmt nicht ganz. Obwohl Ida wieder Ida ist, ist sie sich irgendwie fremd. Es ist etwas mit ihr passiert. Zum ersten Mal hat sie das Gefühl, ein Teil der Auserwählten zu sein.
Nicht dass ihr der Gedanke gefallen würde. Aber sie hat ihr Schicksal akzeptiert. Das hier ist jetzt ihr Leben. Zumindest so lange, bis sie die Welt gerettet haben.
»Ich kann dich begleiten«, sagt sie zu Vanessa. »Ich bin ja neuerdings in der Lage, anderen Leuten Stromstöße zu verpassen. Wir können das Auto meiner Mutter nehmen.«
Vanessa schaut sie überrascht an.
»Und ich rede mit Gustaf«, sagt Minoo. »Mal sehen, ob er am Wochenende mehr über PE in Erfahrung gebracht hat. Ich kann ihm ja das Amulett zeigen, vielleicht erkennt er es. Wir sollten es vor allem Mona unter die Nase halten und herausfinden, ob sie es an Helena und Krister verkauft hat.«
»Die Kristallgrotte öffnet morgen um zwölf«, sagt Vanessa.
»Gut«, sagt Minoo.
»Was willst du Gustaf erzählen?«, fragt Anna-Karin.
»So wenig wie möglich«, sagt Minoo. »Aber ich muss ihn davon überzeugen, PE zu verlassen.«
»Ich hoffe, du hast mehr Erfolg als ich, solange ich du war«, sagt Ida.
64. Kapitel
Z
wischen den kahlen Bäumen sehen sie Jontes Haus. In einigen Fenstern im Erdgeschoss schimmert schwaches Licht. Linnéa versucht zu erkennen, ob sich drinnen jemand bewegt. Sie hat mehrmals angerufen, aber Jonte nimmt nicht ab.
Wie viele Nächte hat sie hier verbracht? Und wie oft hat sie sich selbst gehasst, wenn sie morgens nach Hause ging? In diesem Haus hat sie einige der größten Fehler ihres Lebens begangen.
Linnéa bleibt dicht an der Wiese im Schutz der Schatten stehen. Sie lauscht, aber sie hört nur Anna-Karins Schritte näher kommen.
Linnéa schließt die Augen, dankbar, dass sie wieder Zugang zu ihrer Magie hat. Und Vanessa hatte recht. Es
ist
einfacher geworden, sie anzuwenden. Einfacher, die Kraft freizulassen. Einfacher, sie zu kontrollieren.
Erst empfängt sie nur Anna-Karins Gedanken. Ihre Erinnerungen an das Haus, als sie das letzte Mal hier war. Damals lag Schnee. Daran, wie Jari sie vor allen küsste, wie Linnéa und Vanessa sie in eine Ecke gedrängt haben. Dann rührt Anna-Karin an der Erinnerung, wie sie mit Jari im Bett liegt, und ihr Schamgefühl ist so stark, dass Linnéa einiges an Kraft aufwenden muss, um den Fokus zu wechseln. Aber sie schafft es. Empfängt um ein Haar etwas.
»Versuch mal, an nichts zu denken«, flüstert sie Anna-Karin zu, und natürlich fängt Anna-Karin verzweifelt an zu denken, dass sie nichts denken darf.
Linnéa konzentriert
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