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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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heftigen tonisch-klonischen Krampfanfall auch komplexe partielle Krampfanfälle erlitten hatte – aufgrund einer Überstimulierung meiner Frontallappen, die im Allgemeinen als die empfindlichsten Teile des Gehirns gelten. Im Temporallappen sind die früh entstandenen Strukturen des Hippocampus und der Amygdala (Corpus amygdaloideum) ansässig, die Teile des Gehirns, die für Emotion und Gedächtnis verantwortlich sind. Symptome dieses Anfallstyps können von einem euphorischen »Weihnachtsmorgen-Gefühl« über sexuelle Erregung bis zu religiösen Erfahrungen reichen. Häufig berichten die Betroffenen über ein Déjà-vu-Empfinden oder, im Gegenteil, über ein Jamais-vu-Gefühl, wobei ihnen alles fremd erscheint, wie bei meinem Entfremdungsgefühl auf der Toilette im Büro; sie sehen Lichtschleier oder sie erliegen optischen Täuschungen, und die Welt scheint ihre üblichen Proportionen zu verlieren – bekannt als Alice-im-Wunderland-Syndrom –, was mir passierte, als ich unterwegs war zu dem Interview mit John ­Walsh; manche empfinden eine Fotophobie, eine extreme Lichtempfindlichkeit, wie ich sie auf dem Times Square erlebt hatte. Dies sind alles übliche Symptome oder Vorläufer von Krampfanfällen, die vom Temporallappen ausgehen.
    Eine kleine Untergruppe der Betroffenen mit Temporallappen-Epilepsie – etwa 5 bis 6 Prozent – berichten über eine außerkörperliche Erfahrung, die sie als das Gefühl beschreiben, sich außerhalb des eigenen Körpers zu befinden und sich selbst von oben sehen zu können.
    Ich liege dort auf einer Bahre.
    Ich werde in den Krankenwagen verladen, Stephen hält meine Hand.
    Ich werde ins Krankenhaus gebracht.
    Ich bin hier. Ich schwebe über der Szene, schaue hinunter. Ich bin ruhig. Ich habe keine Angst.

Kapitel 9
Ein Hauch von Wahnsinn
    D as Erste, was ich sah, als ich das Bewusstsein wiedererlangte, war ein Obdachloser, der sich nur wenige Meter von mir entfernt in dem hell erleuchteten Krankenhausraum erbrach. In einer Ecke wurde ein anderer blutbefleckter Mann, der offenbar verprügelt worden und mit Handschellen ans Bett gefesselt war, von zwei Polizeibeamten flankiert.
    Bin ich tot? In mir stieg Wut auf über diese Umgebung. Wie können sie es wagen, mich hierher zu bringen. Ich war zu erbost, um erschrocken zu sein, daher wetterte ich los. Seit Wochen hatte ich mich nicht wie ich selbst gefühlt, aber nun sprudelte der reale Verlust meiner Persönlichkeit an die Oberfläche. Wenn ich auf diese Zeit zurückblicke, erkenne ich, dass ich begonnen hatte, vor der Krankheit zu kapitulieren, da ich allen Aspekten meiner Persönlichkeit, die ich wertschätze – Geduld, Freundlichkeit und Höflichkeit – erlaubte, sich zu verflüchtigen. Ich war ein Sklave der Machenschaften meines von der Norm abweichenden Gehirns. Letztlich sind wir eine Summe unserer Teile, und wenn der Körper versagt, schwinden alle Tugenden, die uns lieb sind, dahin.
    Ich bin noch nicht tot. Ich sterbe wegen ihm, diesem medizinisch-technischen Assistenten. Ich überzeugte mich selbst davon, dass der MTRA, der mit mir geflirtet hatte, als ich beim MRT war, eindeutig hinter allem steckte.
    »Bringt mich hier SOFORT raus«, befahl ich. Stephen hielt meine Hand, der herrische Ton in meiner Stimme schien ihn zu erschrecken. »Ich werde NICHT in diesem Zimmer bleiben.«
    Ich will nicht hier sterben. Ich will nicht bei diesen komischen Typen sterben.
    Ein Arzt trat neben mein Bett. »Ja, wir werden Sie hier wegbringen.« Ich triumphierte, erfreut über meine neu errungene Macht. Die Leute hören zu, wenn ich etwas sage. Anstatt mir Sorgen zu machen, dass mein Leben außer Kontrolle geraten war, fing ich an, mich auf alles zu konzentrieren, was mir ein Gefühl der Stärke gab. Eine Krankenschwester und ein Assistenzarzt rollten mein Bett aus dem Raum in ein Einzelzimmer nebenan. Als das Bett sich in Bewegung setzte, umklammerte ich Stephens Hand. Es tat mir so leid für ihn. Er wusste nicht, dass ich sterben würde.
    »Ich möchte nicht, dass du traurig bist«, sagte ich sanft. »Aber ich werde an einem Melanom sterben.«
    Stephen sah erschöpft aus. »Hör auf, Susannah. Sag so etwas nicht. Du weißt nicht, was dir fehlt.« Ich bemerkte, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Er konnte nicht damit umgehen. Plötzlich kehrte die Empörung zurück.
    »Ich weiß, was mir fehlt!«, brüllte ich. »Ich werde ihn verklagen. Ich werde ihn für alles zur Verantwortung ziehen. Er denkt, er kann mich anbaggern und dann

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