Feuer in eisblauen Augen
geändert.”
Das war wohl die Untertreibung des Jahres. Mark hatte seinen gewohnten Lebensstil und seinen geliebten Beruf aufgegeben und wohnte jetzt in einer Vorstadt statt am Campus, wo das Leben tobte. Er war eine Verpflichtung eingegangen und nahm diese sehr ernst.
Annie musste an ihren Vater denken, der die Flucht ergriffen hatte, als ihm die Verantwortung für seine Familie zu viel wurde. Trotzdem war ihr Vater ein toller Mann gewesen, lustig und ein Abenteurer. Er war nicht für ein ruhiges, gleichmäßiges Leben geschaffen gewesen, er hatte Abwechslung gebraucht. Es sieht so aus, als hätte ich das von ihm geerbt, grübelte Annie. Emily konnte glücklich sein, dass ihr Onkel ganz anders als Annies Vater war.
“Das muss ein sehr aufregendes Jahr für Sie gewesen sein”, bemerkte sie nachdenklich.
“Ja, und ich kann mich jetzt auch noch nicht mit einer Frau einlassen, denn Emily muss sich hier erst noch eingewöhnen.”
“Mir kommt es aber vor, als hätte sie sich sehr gut eingelebt.” Himmel, was sagte sie da! Der Mann muss ja annehmen, dass sie etwas von ihm wollte! Hastig fügte sie hinzu: “Mir ist aufgefallen, dass Emily ganz offen über ihre Eltern spricht, und sie macht auf mich den Eindruck einer ganz normal entwickelten Achtjährigen. Zwar ist sie ein wenig scheu, aber das sind viele Kinder in dem Alter.”
“Ich bin froh, dass Sie das so beurteilen, denn ich verstehe ja nicht viel von Kindern. Allerdings habe ich mir ziemlich viele Erziehungsbücher gekauft. Und auch im Internet gibt es wertvolle Informationen.”
Annie unterdrückte ein Lächeln. Was Mark anfing, machte er perfekt. Sie konnte sich vorstellen, dass er sich eine gut sortierte Hausbibliothek über Kindererziehung zugelegt hatte.
Inzwischen waren sie mit der Arbeit in der Küche fertig, alles blitzte makellos. Annie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Auf keinen Fall wollte sie etwas tun, was sie vielleicht später bereuen würde. Sie entschied sich, möglichst viel Abstand zu diesem aufregenden Mann zu wahren.
Mark schien ihre Unsicherheit zu spüren und half ihr, indem er ihr erklärte, wie der Abend üblicherweise ablief. “Ich lese Emily jeden Abend eine Geschichte vor. Und um halb neun lösche ich dann das Licht bei ihr. Anschließend gehe ich in mein Büro, da ich noch eine Menge Papierkram zu erledigen habe.”
“Wenn das so ist, sage ich Emily jetzt noch schnell Gute Nacht.”
“Ja, das ist okay. Im Übrigen wissen Sie ja, wo der Fernseher steht, für den Fall, dass Sie sich ein paar alte Filme ansehen möchten. Ich habe eine kleine Auswahl davon. Sie werden schon etwas Passendes finden.” Er grinste. Annie wusste, dass er sich an ihre erste Begegnung auf Granville Island erinnerte und an ihr verrücktes Gespräch. “Sie können aber auch unten in den Fitnessraum gehen”, schlug er ihr vor.
“Danke, ich werde auspacken und ins Bett gehen. Schließlich muss ich morgen früh aufstehen.”
“Ja, ein früher Clown fängt einen Frosch.”
“Ist das ein Witz?”, fragte sie erstaunt.
“Hm, ja! Ich glaube allerdings, einer mit Lachzwang.”
“Immerhin ein Anfang, es beweist, dass Sie Humor haben. Den brauchen Sie nämlich auch, wenn Sie mit mir leben wollen”, entgegnete sie arglos. Als Annie seinen überraschten Blick sah, wurde ihr klar, was sie soeben gesagt hatte, und verbesserte sich schnell. “Ich meinte, wenn Sie mit mir für kurze Zeit unter einem Dach leben wollen.”
5. KAPITEL
“Was ist der Unterschied zwischen einem Clown und einem Zauberer?”, fragte Emily, als Annie in ihr Zimmer kam. Die Kleine lag schon im Bett und hielt einen viel geliebten, zerzausten Löwen im Arm. Auf ihrer Bettdecke lag ein Buch, das Annie kannte; sie hatte es als Kind auch verschlungen. Es handelte von einem kleinen Jungen, der zaubern konnte und keine Eltern mehr hatte.
“Also, ein Zauberer hat magische Kräfte, und ein Clown bringt Menschen zum Lachen.”
Emily streichelte nachdenklich ihren Löwen. “Aber du zauberst doch auch. Kannst du Menschen in Tiere verwandeln? Hast du auch einen Zauberbesen, mit dem du durch die Luft fliegen kannst?”
Annie musste lachen. “Wenn ich Dinge verschwinden lasse, dann verstecke ich sie in Wahrheit. Das mache ich aber so schnell, dass die Zuschauer das nicht sehen. Ich übe das sehr lange. Aber wenn du willst, kann ich dir auch ein paar leichte Zaubertricks beibringen. Die könntest du dann deinen Klassenkameraden vorführen.”
“Wirklich?”, fragte
Weitere Kostenlose Bücher