Feuer in eisblauen Augen
erstaunlich gut fertigzuwerden. Auffallend an ihr war nur, dass sie so scheu war. Emily deckte unaufgefordert den Tisch für drei Personen. Das schien ihre tägliche Aufgabe zu sein.
“Dein Onkel kommt heute nicht zum Essen”, erklärte Annie.
“Ach, das sagt er immer. Bea kocht trotzdem für ihn mit, und dann isst er es auch.”
“Ich hoffe, dein Onkel mag Spinatsalat und Omelett.” Annie schlug noch einige zusätzliche Eier in die Schüssel.
“Onkel Mark isst eigentlich alles.”
“Na, hoffentlich. Er hat nämlich mein Essen noch nie probiert.”
“Der Spinatsalat schmeckt ganz gut”, bemerkte Emily überrascht.
“Na, siehst du.”
Auf einmal leuchtete an der Wand ein Warnlicht auf.
Annie verschluckte sich fast an ihrem Salat, sprang auf, um in ihrem Rucksack nach der Kette mit den bunten Knöpfen zu durchsuchen. Meine Güte, da habe ich mal wieder ein Glück, dachte sie. Ich bin den ersten Tag hier, und schon versucht jemand einzubrechen. Jetzt ging das Licht aus, und das erschreckte sie noch mehr. Das war ein Profi, klarer Fall. Der hatte die Warnanlage schon außer Funktion gesetzt. Himmel, was sollte sie nur machen? Vor Aufregung fand sie in ihrem verflixten Rucksack die Kette mit den bunten Knöpfen nicht. Entschlossen kippte sie alles aus. Das war ja ganz furchtbar. Sie dachte an die Krimis, die sie schon alle gesehen hatte. Als Nächstes würde der Bösewicht die Telefonleitung durchtrennen, bevor er …
“Emily, geh sofort in dein Zimmer und schließ die Tür.”
“Aber warum denn? Habe ich etwas falsch gemacht?”, fragte das Kind betroffen. “Darf ich denn Onkel Mark nicht erst begrüßen?”
Oh Himmel, Mark war gekommen! Annie hockte mit zitternden Beinen auf der Erde und begann ihre Sachen wieder einzusammeln. Er hatte das Lichtsignal ausgelöst. Niemand war eingebrochen. Plötzlich hörte sie seine wohlklingende Stimme hinter sich. Er unterdrückte nur mühsam einen Lachanfall. Das fehlte gerade noch!
“Suchen Sie etwas?”, fragte er amüsiert.
“Ja, meinen Verstand”, entgegnete Annie leise. Dann hörte sie, dass Mark einen Stuhl beiseite schob und unter den Tisch kroch. Er reichte ihr die Gegenstände aus ihrer Schatztruhe zuerst wortlos hoch.
“Ach, hier sehe ich ja Wasserentkeimungstabletten. Haben Sie die immer bei sich?”, fragte er überrascht.
“Eigentlich schon, denn ich reise sehr viel und möchte geschützt sein.”
“Ach, ich verstehe”, antwortete Mark übermütig grinsend und reichte ihr diskret ein offenes Päckchen mit Kondomen.
Jetzt nur nicht verlegen werden! Annie sprach sich Mut zu. Schließlich bin ich eine junge Frau, die für sich selbst verantwortlich ist. Und außerdem lebe ich im 21. Jahrhundert. Du meine Güte, hoffentlich kam er nicht auf die Idee, dass sie das Päckchen seinetwegen eingesteckt hatte! Annie spürte, dass sie knallrot wurde. Zum Glück drehte Mark ihr jetzt den Rücken zu. Er war aufgestanden und unterhielt sich mit seiner Nichte. Aber Annie spürte, dass er sich auf ihre Kosten amüsierte.
“Was hast du heute Nachmittag gemacht, Emily?”
“Oh, wir haben uns neue Tricks ausgedacht.”
Annie stand auf und schloss ihre Tasche. Sie hatte den Job schon satt, obwohl sie offiziell noch gar nicht angefangen hatte. “Bitte, hier ist Ihr Essen”, sagte sie zu Mark und reichte ihm sein Omelett.
Irritiert schaute er auf den Teller mit dem Salat. “Sie hätten sich die Mühe nicht zu machen brauchen.” Annie konnte sich denken warum. Anscheinend spürte er, dass sie nahe daran war, die Flinte ins Korn zu werfen. Plötzlich schenkte er ihr sein umwerfendes Lächeln, und schlagartig besserte sich ihre Laune. “Aber danke trotzdem. Es sieht sehr lecker aus. Ich gehe mir nur schnell die Hände waschen.”
Als er kurz darauf wieder kam, hatte Annie ihre Fassung wiedergewonnen. Ihr Herzschlag hatte sich fast wieder normalisiert. “Wie war es im Büro?”, fragte Annie und kam sich dabei vor wie in einer uralten Fernsehserie. Der Mann kommt müde nach Hause, die Frau umsorgt ihn und nimmt regen Anteil an seinem beruflichen Leben. Annie sah, dass er entsetzt den Spinatsalat betrachtete, aber tapfer eine Gabel voll davon in den Mund steckte.
“Hm, das schmeckt ja sehr gut.” Annie unterdrückte ein boshaftes Grinsen.
“Den Salat habe ich nach einem Rezept meiner Großmutter gemacht”, log sie und wurde nicht einmal rot dabei.
“In meiner Firma lief es gut. Wir haben viel zu tun, da die internationale Handelskonferenz,
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