Feuer in eisblauen Augen
sie das nicht vorher gewusst?
An Schlaf war natürlich nicht zu denken, Annie hatte es geahnt. Einerseits sorgte sie sich, dass sie am Morgen den Wecker überhören könnte, andererseits wanderten ihre Gedanken zu Mark. Sie konnte sich an jede Sekunde erinnern, als er sie in die Arme genommen und so heiß geküsst hatte. Dieser kühle Mann war wie ein brodelnder Vulkan unter einer glatten Oberfläche.
Annie wusste natürlich, warum er sich zurückgezogen hatte, als es so spannend wurde und die Welle der Erregung sie beide erfasst hatte. Er war ein verantwortungsbewusster Mensch und ihr Arbeitgeber. Mit ihr eine Affäre zu beginnen, wäre für sein Image nicht gerade günstig. Dazu kam auch noch, dass Emily eine Treppe höher schlief und jederzeit wach werden und ins Wohnzimmer kommen konnte.
Wenn er den Rückzug nicht angetreten hätte, hätte sie es sicher getan, ganz bestimmt.
Sie war schließlich auch in der Lage, aus einer vollen Schachtel Pralinen nur eine einzige zu nehmen und alle anderen wieder wegzulegen. Annie stöhnte und stopfte sich das Kissen unter den Kopf. Aber heute war es ihr sehr schwer gefallen, auf das feurige Finale zu verzichten. Nachdenklich berührte sie mit einem Finger ihre Lippen. Sie brannten immer noch von seinem Kuss.
Sie verstand sich selbst nicht. Mark war nicht ihr Typ. Aber sie bewunderte ihn. Er war stark und geschickt, und sie dachte daran, wie geduldig und unermüdlich er sie im Fitnessraum unterwiesen hatte. Aber am meisten faszinierten Annie seine Augen. Gerade noch kalt wie Diamanten, konnten sie in der nächsten Sekunde ein Feuerwerk versprühen. Jede andere Frau hätte dabei auch weiche Knie bekommen.
Eine kurze Affäre mit ihm wäre toll und bestimmt atemberaubend. Aber Annie brauchte kein Psychologiestudium, um zu wissen, dass Mark kein Mann für ein flüchtiges Abenteuer war. Es war doch gut, dass es vorhin nicht zu mehr gekommen war. Denn dieser Mann würde ihr Leben mit Sicherheit völlig durcheinanderbringen.
Ich muss aufpassen, dachte Annie. Sie konnte nicht mehr leugnen, wie sehr er sie anzog. Aber wenn sie es wirklich wollte, konnte sie ihm gewiss widerstehen. Es sei denn, Mark würde die rote Galauniform der Mounties anziehen. Dann wäre sie rettungslos verloren.
6. KAPITEL
“Was ist?”, rief Annie. Sie träumte. Es war Krieg. Sie hörte Kanonendonner und Sirenen. Verzweifelt suchte sie Deckung unter ihrem Kopfkissen, um sich zu schützen. Da ließ der entsetzliche Lärm zum Glück ein wenig nach. Sie wollte wegrennen, aber sie kam nicht von der Stelle.
“Annie!” Jemand berührte ihre Schulter und schüttelte sie.
“Nein, nicht schießen”, murmelte sie verschlafen. Sie öffnete mühsam die Augen. Es war stockdunkel. Wo war sie nur?
“Annie, wachen Sie auf!”, befahl eine dunkle vibrierende Stimme. Diese Stimme würde sie unter vielen anderen sofort erkennen.
Annie befreite sich von dem harten Griff auf ihrer Schulter und schob das Kopfkissen von ihrem Gesicht. Ihr Zimmer war jetzt von hellem Sonnenlicht durchflutet. Sie lag im Bett, und Mark stellte den immer noch laut schrillenden Wecker ab.
Der frühe Morgen war noch nie Annies Zeit gewesen. Sie stützte den Kopf auf eine Hand und versuchte angestrengt herauszufinden, was geschehen war.
Um diese Zeit hatte sie immer schlechte Laune, und sie besserte sich nicht bei dem Gedanken, dass sie wie immer nackt im Bett lag. Entschlossen zog sie die Decke bis unters Kinn. “Was machen Sie eigentlich hier?”, fragte sie verdrießlich.
“Ich habe fast Ihre Tür eingeschlagen, um Sie zu wecken. Es ist jetzt halb acht, und ich muss gehen.”
“Halb acht? Ich habe den Wecker doch auf Viertel vor sieben gestellt.” Verschlafen rieb Annie sich die Augen.
“Ja, das weiß ich. Er schrillt ja auch schon seit einer Dreiviertelstunde.” Mark hatte sich höflich zur Tür gedreht.
“Ich habe Ihnen einen Zettel auf den Küchentisch gelegt, mit der Beschreibung von Emilys Schulweg. Und vergessen Sie nicht, mich um halb vier anzurufen. Ich muss wissen, ob Emily sicher zu Hause ist.”
“Ja, Sir”, antwortete Annie. Da er ihr seinen breiten Rücken zuwandte, konnte er leider nicht sehen, dass sie auch salutierte.
“Hallo, Em!”, rief Annie der Kleinen zu, die langsam über den Schulhof getrottet kam.
Als Emily Annie sah, strahlte sie und kam angerannt. “Hi”, grüßte sie fröhlich.
“Heute ist ein herrlicher Tag, Emily. Ich habe mir gedacht, dass wir das gute Wetter ausnutzen sollten und an
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