Feuer in eisblauen Augen
den Kopf des Kindes vorwurfsvoll an. Gegen alle Vernunft entschloss sich Mark nachzugeben. Er hörte auf sein Gefühl und nicht auf seinen Verstand. “Gut, Emily, ich gebe Kitsu noch eine Chance. Aber wenn er die auch vermasselt, dann gibt es kein Pardon und ich bringe ihn zurück. Ist das okay?”
“Einverstanden, Onkel Mark. Darf Kitsu wirklich bei uns bleiben?”, fragte Emily unter Tränen. Sie rutschte von Annies Schoß und umarmte ihren Onkel überglücklich und küsste ihn. “Danke, Onkel Mark. Und du wirst sehen, von jetzt ab wird er ein guter Hund sein.” Dann kniete sie sich hin und umarmte Kitsu – vielleicht noch ein wenig liebevoller als ihren Onkel. Der Hund hob den Kopf und fuhr ihr zärtlich mit seiner großen Zunge über das verweinte Gesicht.
Mark hatte das Gefühl, seine Autorität wieder herstellen zu müssen, zumindest in einer weniger herzzerreißenden Angelegenheit. “So, Em, es ist Zeit, geh jetzt ins Bett.”
Ohne Widerspruch verließ das Mädchen den Raum, gefolgt von dem unbrauchbaren Wachhund.
Es war Zeit für Mark, sich mit Annie zu beschäftigen. Mit ihr würde es sicher nicht so leicht werden, Frieden zu schließen. Sie sah in dem riesigen Sessel so jung aus, und sie war sehr zornig auf ihn. Hoffentlich würde sie ihren Job nicht aufgeben. Was sollte er denn ohne Annie machen? Sein Magen verkrampfte sich. Er durfte ihr keine Gelegenheit geben, die Kündigung auszusprechen. So weit durfte es nicht kommen. Er musste sich ganz schnell einen Plan überlegen, aber dazu brauchte er ein wenig Zeit.
“Annie, warum nehmen Sie jetzt nicht Ihr Bad? Es wird Ihnen gut tun.”
“Das ist eine prima Idee.” Stöhnend erhob sie sich aus dem Sessel. Mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte sie sich die Schulter.
“Möchten Sie ein Glas Wein mitnehmen?”
“Oh, ich trinke den Wein lieber nachher.” Während sie sprach, humpelte sie auf einer Sandale aus dem Raum, und die rote Plastikblume wippte bei jedem Schritt.
Mark überlegte. Sollte er Annie schmeicheln, oder sollte er betteln? Oder sollte er sie hier einfach einsperren? Er brauchte nur den Code an der Haustür so zu verändern, dass sie das Haus nicht verlassen konnte. Das durfte er natürlich nicht tun.
Mark besann sich auf seinen Charme. Er legte eine Disk mit einschmeichelnden Jazzrhythmen auf, sorgte für gedämpftes Licht und bereitete ein Tablett mit geschliffenen Kristallgläsern und einer Flasche Rotwein vor. Aber vielleicht dachte sie dann, dass er sie verführen wollte? Das wäre gar nicht günstig für sein Vorhaben. So wie er Annie einschätzte, könnte er damit genau das Gegenteil erreichen.
Er stellte den CD-Player wieder ab und verließ das elegante Wohnzimmer wieder mit seinem Tablett und ging lieber in den Raum, den sie täglich benutzten. Hier saß man bequem, aber es fehlte die Atmosphäre des Besonderen. Zum Glück fiel ihm noch rechtzeitig ein, dass Annie sich Splitter in den Fuß getreten hatte, die sie wahrscheinlich noch nicht alle hatte entfernen können, und dass ihr Knie aufgescheuert war. Er holte seinen Erste-Hilfe-Kasten und eine Flasche Reinigungsalkohol. Mark fühlte sich gut vorbereitet und wartete gespannt auf Annie.
Nach einer halben Stunde kam sie hereingehumpelt. Zu seiner Überraschung trug sie das Kleid in den schönen Regenbogenfarben, das sie bei ihrer ersten Begegnung angehabt hatte. Ob sie sich für ihn so schön gemacht hatte? Dann wäre er doch besser im Wohnzimmer geblieben. Annie stöhnte und hob das Kleid weit über ihre Knie hoch. “Ach, es ist unerträglich, sogar, wenn der dünne Stoff mein abgeschürftes Knie berührt”, erklärte sie und ließ sich auf die Couch sinken.
“Annie, warum haben Sie denn Ihren Bademantel nicht angezogen?”
“Ich habe gar keinen. Das heißt, er ist irgendwo in Spanien, entweder in Barcelona oder in Madrid. Das macht mir nichts aus – ein Teil weniger, auf das ich aufpassen muss.”
Was ist das für eine Frau, die so wenig auf ihren Besitz gibt, fragte sich Mark. Aber er wusste die Antwort, und die gefiel ihm ganz und gar nicht. Denn inzwischen kannte er Annie ein wenig. Sie war ein Mensch, der frei wie ein Vogel sein wollte. Sein eigener Lebensstil war das genaue Gegenteil.
Als Annie sich setzte, schob er einen großen gepolsterten Hocker unter ihr ausgestrecktes Bein.
“Wir beginnen zuerst mit dem Wichtigsten”, sagte er und deutete auf die Flasche Rotwein. “Ist der gut, oder möchten Sie lieber Weißwein?”
“Rotwein ist
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