Feuer in eisblauen Augen
mal an Kitsu ausprobieren und den Polizeihund ein wenig durcheinanderbringen?
Annies Laune besserte sich zusehends, als sie den Park erreicht hatten. Es war ein wunderschöner sonniger Tag. Viele Menschen hatten die gleiche Idee wie sie gehabt und nutzten den Tag aus, um die Sonne zu genießen. Kinder tollten herum, Liebespaare lagen eng umschlungen auf der Wiese. Väter mühten sich mit dem Grill ab, und ein köstlicher Duft nach gebratenen Würstchen hing in der Luft und weckte Appetit. Es ist herrlich, heute hier zu sein, dachte Annie.
Sie breitete die rot-weiß gestreifte Decke aus, als sie einen schönen Platz entdeckt hatte, und stellte den Picknickkorb und die übrigen Sachen ab. Emily stand wartend da und hielt Kitsu an der Leine. Der saß brav zu ihren Füßen und rührte sich nicht. “Komm, Emily, hilf mir beim Auspacken.”
“Meinst du denn, ich kann den Hund loslassen?”
“Klar doch. Der würde sich doch nicht einmal von der Stelle rühren, selbst wenn hier plötzlich eine Ladung Dynamit in die Luft ging”, antwortete Annie zuversichtlich. Annie warf Kitsu einen Seitenblick zu. Der saß tatsächlich wie eine Statue da. Aber Annie schlang sich doch vorsichtshalber die Leine ums Handgelenk. Sie wühlte in ihrem Rucksack und suchte nach dem Ball.
“Wow, du hasst ja für uns gebratene Hähnchenschenkel eingepackt”, jubelte Emily. “Und an meine Lieblingsbonbons hast du auch gedacht. Darf ich mir ein Bonbon nehmen?”
“Die solltest du eigentlich erst nach dem Essen bekommen.”
“Nur ein einziges, Annie.”
“Na gut, ein einziges Bonbon wird dir nicht gleich den Appetit verderben.” Annie suchte noch immer den Ball, als die Hundeleine straff wurde. Ein Blick auf Kitsu sagte ihr, dass die Situation brenzlig wurde. Sie stand sofort auf und ließ ihren Rucksack auf die Decke fallen. Kitsu stand in Hab-Acht-Stellung, bereit, gleich loszujagen. Annie versuchte Kitsu durch den Befehl ‘Bei Fuß!’ von seinem Vorhaben abzubringen. Aber er reagierte überhaupt nicht darauf. Er schenkte ihr nicht einmal einen Blick, sondern jagte wie ein Besessener los und zog Annie hinter sich her. Du liebe Güte, hatte der Hund vielleicht Drogen geschnüffelt und deckte jetzt einen Dealerring auf? Ob das Tier glaubte, es sei noch im Polizeidienst?
Annie schossen verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf. Das konnte gefährlich werden. Emily durfte da auf keinen Fall mit hineingezogen werden. Sie drehte sich um und rief: “Bleib zurück, Emily.”
“Gib Acht, Annie”, antwortete Emily angstvoll.
Aber die Warnung kam zu spät, der Hund zerrte sie erbarmungslos durch eine Hecke. Zweige schlugen ihr ins Gesicht und ritzten ihre Haut auf. Ihre eine Sandale blieb im Gestrüpp hängen und war weg, genau so wie ihr geliebter Sonnenhut und ihre schicke Sonnenbrille. Aber Annie ließ die Leine nicht los, und die Jagd ging weiter. Ab und zu verlangsamte Kitsu sein Tempo und hielt die Nase in den Wind, um dann zielgerichtet weiterzurennen. Jetzt ging es über einen Spielplatz, die Kinder wichen schreiend zur Seite, Eltern schimpften. Annie entschuldigte sich atemlos im Laufen, duckte sich an schwingenden Schaukeln vorbei, wich Klettertürmen und spielenden Kindern im Sandkasten aus.
“Ich bring dich um, du blöder Hund. Ich werde dich eigenhändig erwürgen”, stöhnte Annie. Das war ja wie eine Verbrecherjagd im Krimi.
Hinter wem war der Hund eigentlich her? Weit und breit sah sie keine gefährliche Figur. Aber Kitsu schien völlig sicher zu sein. Da, plötzlich sah Annie kurz vor sich ein graues Eichhörnchen um sein Leben rennen. Verfolgte Kitsu etwa dieses kleine niedliche Tier? Das konnte doch nicht sein. Aber als das Eichhörnchen einen Haken schlug und Kitsu in die gleiche Richtung rannte, wusste Annie Bescheid. Kitsu war dem kleinen Tier jetzt beängstigend dicht auf den Fersen. Nur ein geringer Abstand trennte ihn noch von seiner Beute. Das Entsetzen verlieh Annie Zauberkräfte. Mit aller Kraft stemmte sie sich in den Boden und hielt mit beiden Händen die Hundeleine. Dabei fiel sie auf die Knie und wurde von dem Hund über das Gras gezogen. Aber ihr beherztes Eingreifen hatte dem Eichhörnchen einen winzigen Vorsprung verschafft, sodass es ihm gelang, blitzschnell auf eine hohe Tanne zu flüchten.
Annie hatte gehofft, dass die Jagd zu Ende sei. Aber Kitsu hatte ganz andere Pläne. Er stand unter der Tanne, sprang immer wieder am Baumstamm hoch, bellte beängstigend und fletschte die Zähne. Das
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