Feuer / Thriller
dich nicht allein.« Er streichelte ihr Haar, bis sie sich wieder ein wenig beruhigte.
Schließlich rieb sie ihm verlegen über die Brust. »Du bist ganz nass.«
»Macht nichts.«
»Ich … ich muss nachdenken.«
»Nein, Liebes, du musst trauern, und das braucht seine Zeit. Kane war ein guter Mensch und ein guter Polizist. Er war dein Partner. Ihr habt mehr Zeit zusammen verbracht als die meisten Menschen mit ihrem Lebensgefährten. Er hat auf dich aufgepasst, und du hast ihm vertraut. Du hast ihn geliebt.«
»Ja«, wisperte sie heiser. »Als meine Mutter starb, habe ich nicht so geweint.«
Er konnte das schlechte Gewissen heraushören. »Du bist keine schlechte Tochter, nur weil du es nicht getan hast.«
Sie hielt inne, hob den Kopf und sah ihn durch die Finsternis an. »Was?«
»Du fühlst dich schuldig, weil du mehr um Kane trauerst als um deine Mutter, stimmt’s?«
Sie nickte, und wieder begannen die Tränen zu fließen. »Sie war meine Mutter. Ich meine, ich habe geweint, aber es war anders. Jetzt ist es, als würde man mir das Herz rausreißen wollen. Was für eine Tochter bin ich denn, wenn keine schlechte?«
»Damals in Chicago hast du mir erzählt, dass du deine Mutter vermisst, dass du sie liebst.«
»Habe ich das?«
»Ja, hast du. Aber ich bekomme langsam den Eindruck, dass es zwischen euch nie besonders leicht war, hm?«
Sie senkte den Kopf wieder und seufzte. »Nein. Sie liebte mich, das weiß ich, aber ich schien es ihr nie recht machen zu können. Und manchmal sah sie mich an, als würde sie mich hassen. Das habe ich aber erst verstanden, als ich Mia zum ersten Mal sah.«
»Bei der Beerdigung deines Vaters.«
»Ja. Ich fuhr nach Chicago, sobald ich erfuhr, dass er gestorben war, und kam gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung. Mia trug die Ausgehuniform und stand neben ihrer Mutter am Sarg. Die Polizisten falteten die Flagge und gaben sie seiner Frau, und sie drehte sich um und drückte sie Mia in die Hand. Ich stand da, sah ihnen zu und hasste sie von ganzem Herzen. Dann blickte Mia auf und mir stockte der Atem. Es war, als würde ich in einen Spiegel sehen.«
»Auch sie war ziemlich aufgewühlt.«
»Ich weiß. Und erst in diesem Moment wurde mir klar, dass wir beide unserem Vater ziemlich ähnlich sehen mussten.«
»Du wusstest nicht einmal, wie er ausgesehen hat?«
»Ich kannte nicht einmal seinen Namen, meine Mutter hat nie von ihm gesprochen. Als Kind träumte ich von ihm und malte mir aus, wie er wohl war. Für mich stand fest, dass er an Gedächtnisverlust litt, denn sonst hätte er mich doch sicher zurückfordern müssen.«
David schluckte, als er sich das kleine Mädchen vorstellte. »Meine Eltern liebten einander und sie liebten uns. Dafür bin ich sehr dankbar. Es tut mir sehr leid, dass du so etwas nicht erfahren hast.«
»Danke. Ich bin froh, dass du das zu schätzen weißt. In der Schule bin ich ausgerastet, wenn andere Kinder erzählten, sie würden ihre Eltern hassen, weil sie ihnen nicht die richtigen Klamotten oder ein Auto kauften. Ich wollte bloß einen Vater. Als ich älter wurde, ging ich meiner Mutter auf die Nerven, weil ich wollte, dass sie mir von ihm erzählte. Schließlich kam es zum Eklat. Wir hatten furchtbaren Streit, und sie schleuderte mir die Wahrheit entgegen. Er sei Polizist in Chicago. Und verheiratet. Er habe ihr versprochen, sie zu heiraten, als ich geboren worden war, doch dann habe er sich eben doch für die andere Familie entschieden. Für eine andere Frau und zwei Kinder. Ich kannte ihre Namen nicht, aber ich hasste sie alle.«
»Und wie hast du von seinem Tod erfahren?«
»Durch meine Tante. Ich hatte meine Mutter immer wieder nach seinem Namen gefragt, aber sie schwieg – es war ein ständiger Streitpunkt zwischen uns. Und dann starb sie, ohne es mir gesagt zu haben. Ich war sicher, dass ich es jetzt nie mehr herausfinden würde, als mich ihre Schwester anrief. Sie hatte die Todesanzeige in der Zeitung gesehen. Meine Mutter hatte sich ihr vor vielen Jahren anvertraut und sie schwören lassen, nichts zu verraten, aber meine Tante wusste, wie wichtig es für mich war.« Ihre Stimme verhärtete sich. »Dann lernte ich Mia kennen und erfuhr, dass ich mich glücklich schätzen konnte, nicht mit diesem Vater zusammengelebt zu haben. Nun war ich froh, dass er mich nicht gewollt hatte.«
»Das muss eine schlimme Zeit für dich gewesen sein«, murmelte er, und sie hob wieder den Kopf.
»Wie meinst du das?«
Er zögerte. »Ich weiß von
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