Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
Vom Netzwerk:
Tante Lene herüberbitten?“ Das war mir so herausgefahren. Was fiel mir ein! Ich wollte Tante Lene nicht treffen. Heute nacht nicht.
    Mutter schüttelte nur den Kopf. Sie schloß leise die Tür, verschanzte sich in ihrem Schlafzimmer, wie der Einsiedlerkrebs in seinem Schneckenhaus.
    Ich stürmte die Treppe hinauf, stellte das Bodenfenster auf. Beizender Brandgeruch stach mir in die Nase. Rote und gelbe Feuerzungen schrieben eine Flammenschrift in den Himmel. Der Wind hatte sich angestrengt. Selbst zehn Feuerwehren konnten keinen Dachsparren mehr retten. Die Feuerwehr... Hatte ich ihr Klingeln und das grelle Martinshorn überhört? Ich erinnerte mich nicht.
    Unten kamen die Leute aus den Häusern. Wehende Mäntel spukten vor unserem Wall herum, strebten zur Straßenkreuzung, klumpten sich zusammen, redeten mit den Händen, wiesen auf den Feuerschein. Einige bröckelten ab, gingen, liefen, wurden von der Glut angesogen.
    Sollte ich auch? Oder ließ ich es?
    Ich wußte ja, wessen Haus brannte.
    Doch. Ich wollte es sehen, sehen, wie Peter Sönderup die Fäuste ballte, während die Flammen seinen Besitz auffraßen. Vorbei war’s mit den Gläsern auf dem Tisch und den Sesseln, die immer an der gleichen Stelle standen. Und von dem Wetterhahn würde er nur ausgeglühtes Blech wiederfinden.
    Ich verschwand durch die Hintertür, schob den Schlüssel unter den Stein, glitt durch die Pforte. Hinter Mutters Vorhängen hatte ich kein Licht mehr gesehen. Sicher war sie eingeschlafen.
    Aber Tante Lene schlief nicht. Sie stand neben dem hölzernen Vorbau — ich sah sie im letzten Moment. „Markus! Warte!“ rief sie halblaut, winkte und hinkte auf mich zu. Später, Tante Lene... Ich kümmerte mich nicht um sie, bog um den Reetstapel herum in den Feldweg zum Kliff ein. Die Allee war mir zu belebt.
    Ich werde auf Sellmers Schuppendach steigen, überlegte ich mir unterwegs.
    Sellmers Schuppendach ging nicht! Der Teerbelag war geschmolzen; das merkte ich, als ich mit einer Hand klebenblieb. Ich würde nachher noch mit Butter drangehen müssen, um die Schmiere zu entfernen. Weit mußte ich ausholen, zurück ans Kliff, bei der Liebesallee in den Museumsgarten — die alte Tour. Auf der Straße, an beiden Kreuzungen und vor Hageldorns Haus drängten sich die Leute wie ein Krähenschwarm vor einem gefallenen Hasen. Ich schob mich bei der Kastanie wieder unter die Heckenrosen.
    Die Hitze brannte auf meinen Backen. Vor nicht ganz zwei Stunden blies mir an dieser Stelle der Wind die Kälte bis an die Haut.
    Gegenüber zischte es. Dampfschwaden bildeten einen rot angehauchten Nebel, in dem die Feuerwehrhelme wie kleine Fischerbojen hin und her tanzten. Kein Feuer brüllte; keine hohen Flammen prasselten mehr. Das Feuer war satt. An ein paar Stellen flackerten noch kleinere Flammen, leuchtete Glut. Es schien, als hätte das Feuer alles Genießbare verschlungen, sich in kurzer Zeit überfressen, und nun machte es ihm Mühe, noch den Nachtisch hinunterzuwürgen.
    Eben rechts von meinem Ausguck stand ein unförmig dicker Mann mit Helm wie ein Denkmal: Bäcker Franzen lenkte in Bauchhöhe einen Wasserstrahl aus dem Spritzenmundstück dahin, wo Peter Sönderup seinen abendlichen Kontrollgang begonnen und beendet hatte. Es gab keine Haustür mehr und nichts mehr zu kontrollieren.
    David Küppers wieselte überall herum, wie ein Kasper auf der Bühne. Tauchte er im Wassernebel unter, so hörte man noch seine kläffende Stimme. Er war der Mann heute nacht . Wo war Peter Sönderup?
    So weit, wie ich es überhaupt wagen konnte, schob ich mich nach vorn und schaute nach beiden Seiten. Peter Sönderups vierkantige Gestalt entdeckte ich nirgends, und seinetwegen war ich noch mal gekommen. Vielleicht hielt er sich hinter der Hausruine im Garten auf. Aber auf der anderen Seite mußte die Hitze unerträglich sein; der Wind trug sie in die Richtung. Vielleicht war er auch ohnmächtig geworden vor Angst und Schreck.
    „Entsetzlich, das mit Peter!“ drang eine Stimme von rechts zu mir ins Gebüsch: Hannah Postel! Ihre Stimme war ganz heiser. Das Feuer mußte sie bös mitgenommen haben, sonst hätte sie mehr geredet.
    „Ganz entsetzlich!“ wiederholte eine Frauenstimme, die ich nicht erkennen konnte.
    Was war entsetzlich? Das mit meinem Vater war entsetzlich gewesen an dieser Stelle. Peter Sönderup hatte nur ein Haus verloren, und Häuser ließen sich wieder aufbauen. Beinahe hätte ich aufgeschrien — jemand stieß mich an: Sönderups Kater!
    Ich wurde

Weitere Kostenlose Bücher