Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
Vom Netzwerk:
bräunlichen Din-A4-Umschlag über die Schreibtischplatte zu und verabschiedete mich: „Sie werden wieder mal Tatsachen suchen müssen, die unter der Oberfläche schwimmen. Sehen Sie zu, Bank, was Sie herausfinden können. Falls Sie Hilfe brauchen, fordern Sie welche an. Ach so — die Obduktion habe ich telefonisch vorbereitet. Der Pathologe kommt morgen vom Festland herüber.“ Mögliche Brandstiftung und ein Toter!
    Ich suchte den braunen Umschlag aus meiner Aktentasche heraus, um zum zweitenmal durchzulesen, was der Polizeiposten Tarrafal gemeldet hatte.
    ... Am 14. Oktober 1972 brannte in der Gemeinde Tarrafal das Anwesen des Pensionärs Peter Wulf Sönderup bis auf die Grundmauern ab.
    Der Feueralarm wurde um 23 Uhr 47 gegeben. Die Person, die ihn auslöste, konnte nicht ermittelt werden.
    Sönderup kam in den Flammen um. Nach Aussagen seiner Ehefrau Christine, die sich nur in Nachtbekleidung aus dem brennenden Gebäude retten konnte, wollte ihr Mann noch versuchen, eine Kassette mit Geld und Papieren zu bergen. Das Schadenfeuer breitete sich, durch die herrschenden Windverhältnisse bedingt (Westwind, Stärke 5 bis 6), derartig schnell aus, daß keine Hilfe für Sönderup möglich war. Ebenfalls wurde kein Mobiliar gerettet. Den eingesetzten Feuerwehren (eine Ortswehr, zwei Wehren aus der Umgebung) gelang es nur unter vollem Einsatz, die in Windrichtung liegenden Nachbarhäuser vor Funkenflug und dem Übergreifen der Flammen zu bewahren.
    Die Leiche des P. W. Sönderup konnte erst am Morgen nach dem Brand geborgen werden. Sie wurde zur Obduktion in die hiesige Kapelle gebracht. Fundort der Leiche im Mittelteil des Hauses, etwa dort, wo sich ehemals die Treppe zum Dachgeschoß befand.
    Verdacht auf Brandstiftung muß angenommen werden. Der verstorbene Sönderup erhielt auf ungewöhnlichem Wege in einem Zeitraum von sechs Wochen vor dem Brand drei Karten, die als Feuerdrohung angesehen werden können. Die erste Karte am 28. August, eine zweite am 3. Oktober, die letzte am 11. Oktober — drei Tage vor der Katastrophe.
    Diese Karten — es handelt sich um weiße Standardkarten — sind mit der Darstellung eines roten Hahns bedruckt, die als Kartoffeldruck anzusprechen ist. Alle Karten waren in Schlitzen von Rohrpfeilen eingeklemmt (im hinteren Drittel) und wurden im Mittelteil des Sönderup -Hauses nahe dem Giebel im Dach steckend aufgefunden. Zwei Karten konnten von mir sicher ge stellt werden, als mich S. bald nach dem Fund benachrichtigte. Eine Karte, die erste vom 28.8., wurde von S. vernichtet, wie er mir gegenüber angab. Über die Person eines möglichen Täters kann ich keine Angaben machen.
    gez. Tackert
    Polizeiobermeister

    Dem nüchternen Bericht war noch eine Notiz beigefügt, locker mit einer Heftklammer angeheftet, um sie von den Tatsachen einer amtlichen Meldung zu trennen. In ein paar handschriftlichen Zeilen teilte Polizeiobermeister Tackert mit, daß Gerüchte im Dorf umliefen, die auf einen vierzehnjährigen Jungen abzielten. Er sei verpflichtet, das Dezernat davon in Kenntnis zu setzen, betone aber, daß es sich hierbei um unbewiesenes Dorfgeschwätz handle. Das alles stand in einer groben, ungelenken Handschrift auf dem Papier, als sei es dem Schreiber widerwärtig, derartige Mitteilungen zu schreiben.
    Mit diesem Wissen setzte man mich auf die Fährte. Ich mußte nun die Lücke in Tackerts Bericht ausfüllen. Ich sollte einen Täter finden und die dazugehörige Geschichte. Ein jugendlicher Täter möglich...
    Das war genau die Möglichkeit, die mir am wenigsten gefiel. Einem Jugendlichen ist Brandstiftung ebensogut zuzutrauen wie einem Erwachsenen — das hat mir die Praxis bewiesen. Ich erlebe es oft genug, und ich kann mir keine betuliche Rücksichtnahme und kein empfindsames Gemüt in meinem Beruf leisten. Trotzdem fällt es mir schwerer, die Rattenfängermethoden, die Kniffe, die Fußfallen und die gezuckerten Worte bei Kindern anzuwenden als bei Erwachsenen. Aber ich wende sie an. Ich habe einen Täter zu finden... wenn es einen gibt.
    Dem Zug entstiegen nur wenige Reisende, alle in Mänteln. Der Oktober hatte die fröhlichen Farben der Sommerkleider aus dem Verkehr gezogen.
    Von jetzt an begleiteten mich Steinwälle und Heckenrosen, versteckte Giebel und Reetdächer, niedrige Mauern, klein- quadratige Fensterscheiben und Türen, deren altehrwürdige Machart in Kunststoffarben glänzten. Melchior hatte nicht zuviel versprochen.
    Mit meinen Erkundigungen nach der Polizeiwache hatte

Weitere Kostenlose Bücher