Feuer und Eis
die Tür auf und führte Xante direkt in die Bibliothek. Dann nahm sie sich die Zeit, das Feuer im Kamin zu entzünden und Xante einen Drink anzubieten, den er ablehnte. Sie weigerte sich, sich hetzen zu lassen. Wie, fragte sie sich, sollte sie anfangen?
David ihre Geschichte zu erzählen, hatte in der Katastrophe geendet. Auf eine Wiederholung konnte sie gut verzichten.
Das zusammengeknüllte Zeitungspapier fing Feuer, die ersten Flammen leckten bereits an den Scheiten. Die Heizung funktionierte schon lange nicht mehr. Karin wusste, dass es ewig dauern würde, bis der Raum warm wurde. Sie war von Kopf bis Fuß durchnässt und fror. Sobald das hier vorbei und Xante gegangen war, würde sie ein schönes heißes Bad nehmen.
Sobald Xante gegangen war … Der Gedanke hallte in ihrem Kopf. Denn wenn sie ihm alles erzählt hatte, würde er gehen. Eine gemeinsame Zukunft gab es nicht mehr.
Jetzt wollte sie nur noch, dass es schnell vorbei war.
„Der einzig große Wallis war mein Großvater. Meine Eltern waren nur gut darin, Partys zu feiern und Geld auszugeben. Und mein Bruder Matthew ist genauso. Nur meine Schwester Emily ist ein anständiger Mensch. Dank der Rose kann ich das Geld für ihr letztes Schuljahr aufbringen und ihr ein Medizinstudium finanzieren. Wir sind absolut pleite“, sagte sie.
„Das hält dich nicht davon ab, um die Welt zu reisen.“
„Besser, als Emily hierher zu bringen.“ Karin zuckte die Schultern, als sei alles wirklich so einfach. „Besser ins Ausland fliehen, als sie dem Chaos aussetzen, das ich miterleben musste. Es ist alles eine einzige Fassade, Xante. Ich wollte sie so lange aufrechterhalten, bis sie die Schule beendet hat. Aber ich kann es nicht. Ich ertrage dieses Leben keinen Moment länger. Ein ruhiges Leben, das ist es, wonach ich mich immer gesehnt habe.“
Xante schüttelte den Kopf. „Erzähl mir nicht wieder, dass du ein langweiliges Kind warst. Erzähl mir nicht, dass du dich immer nur in die Bibliothek eingeschlossen und gelesen hast. Erzähl mir nicht, dass du nie Alkohol trinkst. Du bist wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet worden!“
„Ich wurde verhaftet“, entgegnete sie sachlich. „Als ich nach dem Autounfall das Bewusstsein wiedererlangte, saßen zwei Polizisten an meinem Bett. Die Anklage lautete auf Fahren unter Alkoholeinfluss und Körperverletzung. Mein Vater hat es arrangiert, dass die Anschuldigungen fallen gelassen wurden … was ihm die Peinlichkeit ersparte zu erklären, weshalb in seinem Haus eine wilde Party gefeiert wurde, bei der einer seiner ältesten Freunde sich an seiner siebzehnjährigen Tochter vergreifen wollte. So kam auch nicht ans Licht, dass meine Eltern zu betrunken waren, um irgendetwas dagegen zu unternehmen. Tatsächlich haben sie erst am nächsten Tag davon erfahren.“ So, sie hatte es gesagt. Und anstatt Bitterkeit empfand sie nur Erleichterung.
Dafür lag nun der Schmerz, vor dem sie ihn so lange hatte bewahren wollen, auf Xantes Gesicht. „Du wurdest vergewaltigt?“
„Nein, dazu ist es nicht gekommen.“ Mit ruhigen Augen schaute sie ihn unverwandt an. „Ich war betrunken … meine Drinks waren mit Alkohol versetzt. Ich weiß das, weil ich mich, anders als meine Eltern, an die Gesetze gehalten und nur Orangensaft getrunken habe. Irgendwann ging es mir ziemlich schlecht. Ich erinnere mich, dass mich jemand nach oben geführt hat. Ich habe ihn immer für einen sehr netten und anständigen Mann gehalten … zumindest wirkte er im Fernsehen so. Ich dachte wirklich, er wolle mir nur helfen. Und dann …“ Karin atmete tief ein. „Ich erspare dir die Details. Trotzdem habe ich versucht, mich zu wehren. Ich habe ihm den erstbesten Gegenstand ins Gesicht geschmettert, den ich zu fassen bekommen habe.“
Xante beobachtete, wie ihre Finger automatisch über die Narbe an ihrem Handgelenk strichen.
„Es war ein gläserner Aschenbecher. Dabei habe ich mich am Handgelenk geschnitten. Du siehst also, es war kein Selbstmordversuch.“ So leicht fiel es ihr, seine Gedanken zu lesen. „Damals glaubte ich wirklich, ich rette mein Leben.“
„Karin, du brauchst nichts mehr zu erzählen …“ Blankes Entsetzen breitete sich in ihm aus, wenn er daran dachte, was sie durchgemacht hatte. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und ihr gesagt, dass es ihm leid tat, unendlich leid. Aber davon wollte Karin nichts hören.
„Ich habe keine Lust mehr, für meine armselige Familie zu lügen. Ich habe es satt, mit ihren Skeletten
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