Feuer Und Stein
kämpft, wendet er dem Gegner die linke Seite zu, und auf der ist das Herz.«
Jamie hatte begonnen, über die grasbewachsene Lichtung zu schreiten und Ausfälle mit einer imaginären Stichwaffe zu machen. »Bei einem Breitschwert ist es egal«, sagte er. Er holte mit beiden Armen, die Hände dicht beieinander, aus und führte sie in flachem, elegantem Bogen durch die Luft. »Da nimmt man gewöhnlich beide Hände«, erklärte er.
»Und wenn man nahe genug ist, um nur eine Hand zu gebrauchen, spielt es auch keine große Rolle, welche man nimmt, denn da kommt man von oben und spaltet dem Gegner die Schulter. Nicht den Kopf«, fügte er belehrend hinzu. »Von dem rutscht die Klinge leicht ab. Aber wenn man den Mann sauber in der Beuge trifft« - Jamie ließ die Handkante auf die Verbindung zwischen Hals und Schulter niedergehen -, »ist er tot. Und auch wenn man ihn nicht sauber trifft, wird er an diesem Tag nicht mehr kämpfen. Meist nie mehr.«
Jamie ließ die Linke sinken und zückte seinen Dolch.
»Wenn man nun mit Degen und Dolch zugleich ficht«, fuhr er fort, »und keinen Schild hat, um die Hand mit dem Dolch zu schützen, dann zieht man die rechte Seite vor, führt den Degen mit der Rechten und kommt beim Nahkampf von unten mit dem Dolch. Wenn aber die Hand mit dem Dolch gut geschützt ist, so kann man von beiden Seiten kommen und sich drehen…« - Jamie duckte sich, bewegte sich hin und her -, »um die Klinge des Gegners fernzuhalten. Dann steht es einem auch frei, den Dolch nur dann zu benutzen, wenn man den Degen verliert oder die Hand, mit der man ihn führt, nicht mehr gebrauchen kann.«
Jamie beugte den Oberkörper vor und riß den Dolch mit einem raschen, mörderischen Stoß hoch, den er keine drei Zentimeter vor meiner Brust abbremste. Ich schrak unwillkürlich zurück, und Jamie richtete sich auf und steckte den Dolch mit abbittendem Lächeln fort.
»Verzeih. Ich wollte dich nicht ängstigen.«
»Du bist ausnehmend gut«, sagte ich, und es war mir ernst. »Wer hat dich das Kämpfen gelehrt? Sicher ein anderer Linkshänder.«
»So ist es. Und es war der beste Fechter, den ich kenne.« Jamie lächelte unfroh. »Dougal MacKenzie.«
Die meisten Kirschblüten waren inzwischen von Jamies Kopf heruntergefallen, nur ein paar lagen noch auf seinen Schultern, und ich streckte die Hand aus, um sie zu entfernen. Jamies Hemd war säuberlich, wenn auch kunstlos geflickt.
Ich konnte mich nicht zurückhalten. »Er wird es wieder tun?« fragte ich unvermittelt.
Jamie legte eine Pause ein, ehe er antwortete, doch er gab nicht vor, mich nicht zu verstehen.
»Ja«, sagte er und nickte. »Dadurch bekommt er schließlich, was er will.«
»Und du läßt es zu? Läßt dich so von ihm benutzen?«
Jamie blickte an mir vorbei. Sein Gesicht war so ausdruckslos wie eine Wand.
»Einstweilen«, sagte er.
Wir setzten unsere Reise fort, wobei wir nicht mehr als einige Meilen am Tag zurücklegten und oft haltmachten, damit Dougal seine Geschäfte an einer Kreuzung oder in einer Kate abwickeln konnte.
Wenn wir in einen Weiler oder ein Dorf kamen, das groß genug war, um eine Schenke oder einen Gasthof zu besitzen, spielte Dougal wieder seinen Part, bezahlte Bier, erzählte Geschichten, hielt Reden und zwang schließlich Jamie auf die Beine, damit er seine Narben zeigte. Und ein paar weitere Münzen wanderten in die Geldtasche, die für den Prätendenten bestimmt war.
Ich war immer bemüht, den Schauplatz vor dem Höhepunkt zu verlassen, da öffentliche Darbietungen dieser Art noch nie nach meinem Geschmack gewesen waren. Die erste Reaktion auf den Anblick von Jamies Rücken bestand aus entsetztem Mitleid, dann folgten wüste Schmähreden auf das englische Heer und den König, aber nicht selten regte sich auch eine leise Verachtung, die selbst mir nicht entging. Bei einer Gelegenheit hörte ich, wie ein Mann zu seinem Freund auf englisch sagte: »Furchtbar, was? Heiliger Gott, ich würde lieber sterben, als mich so von einem Rotrock zurichten lassen.«
Jamie war von Anfang an unglücklich und gereizt gewesen, aber nun wurde er von Tag zu Tag deprimierter. So bald wie möglich streifte er das Hemd wieder über, ging Fragen und Anteilnahme aus dem Weg und suchte einen Vorwand, die Versammlung zu verlassen. Danach mied er alle, bis wir am nächsten Morgen wieder die Pferde bestiegen.
Knapp eine Woche später, in einem kleinen Dorf namens Tunnaig, war das Maß dann voll. Dougal redete noch, eine Hand auf Jamies
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