Feuer Und Stein
Eimer am Treppenabsatz stehe.«
»Nein? Du hast mehr von einem schottischen Thron zu gewinnen als ich, mein Junge. Und vom englischen nichts als die Schlinge des Henkers. Aber wenn dich dein eigener Hals nicht kümmert -«
»Mein Hals ist meine Sache«, warf Jamie hitzig ein. »Und ebenso mein Rücken.«
»Nicht, solange du mit mir reist«, erwiderte Dougals spöttische Stimme. »Wenn du hören willst, was Horrocks zu berichten hat, dann tust du, was man dir sagt.«
Dann waren leise Schritte im Gras zu hören, aber nur von einem, dachte ich. Ich setzte mich so lautlos auf, wie ich konnte, und spähte vorsichtig um einen der Felsen herum.
Jamie war immer noch da; er saß in ein paar Metern Entfernung auf einem Stein, die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Kinn in beiden Händen. Er hatte mir den Rücken zugekehrt. Ich machte Anstalten, wieder hinter meinem Felsen zu verschwinden, weil ich ihn nicht stören wollte, als er plötzlich sprach.
»Ich weiß, daß du da bist«, sagte er. »Komm heraus, wenn du
magst.« Ich stand auf und wollte vortreten, als mir bewußt wurde, daß ich nur mein Unterkleid trug. Jamie hat genug Sorgen, dachte ich, er braucht meinetwegen nicht auch noch zu erröten, und so wickelte ich mich taktvoll in meine Decke, bevor ich auftauchte.
Ich setzte mich in die Nähe des jungen Mannes, lehnte mich gegen einen anderen Stein und beobachtete ihn ein wenig zaghaft. Abgesehen von einem kurzen Nicken zur Begrüßung ignorierte er mich, völlig in Gedanken von nicht allzu erfreulicher Art versunken, wenn mich seine finstere Miene nicht trog. Mit einem Fuß klopfte er unruhig gegen den Stein, auf dem er saß. Er faltete die Hände und drückte die Finger dann mit solcher Kraft durch, daß die Knöchel knackten.
Dieses Geräusch erinnerte mich an Hauptmann Manson, den Versorgungsoffizier des Lazaretts, in dem ich gearbeitet hatte. Hauptmann Manson empfand Engpässe beim Nachschub, verspätete Lieferungen und die Idioten der Militärbürokratie unweigerlich als persönliche Niederlage. Er war ein sanfter und leiser Mann, aber wenn die Frustration zu groß wurde, zog er sich in sein Büro zurück und schlug mit aller Kraft gegen die Wand hinter der Tür. Besucher beobachteten oft fasziniert, wie das dünne Sperrholz unter der Wucht seiner Hiebe bebte. Ein paar Momente später tauchte Hauptmann Manson wieder auf, mit zerschrammten Händen, aber wiedergewonnener Gemütsruhe, und befaßte sich weiter mit der derzeitigen Krise. Als er zu einer anderen Einheit versetzt wurde, wies die Wand hinter seiner Tür Dutzende von faustgroßen Löchern auf.
Jamie erinnerte mich im Moment lebhaft an den Hauptmann.
»Du mußt auf etwas einschlagen«, sagte ich.
»Wie?« Jamie blickte überrascht auf; anscheinend hatte er vergessen, daß ich da war.
»Schlag gegen irgend etwas«, riet ich. »Danach wirst du dich besser fühlen.«
Jamies Mund zuckte, als wollte er etwas sagen, aber statt dessen erhob er sich, steuerte entschlossen auf einen Kirschbaum zu und versetzte ihm einen wilden Schlag. Da er dies offenbar erleichternd fand, drosch er noch einige Male auf den zitternden Stamm ein, was einen phantastischen Regen von blaßrosa Blüten auslöste, der auf seinen Kopf niederging.
An einem aufgeschürften Knöchel saugend, kam Jamie zurück.
»Danke«, sagte er und lächelte ironisch. »Vielleicht kann ich heute nacht doch noch schlafen.«
»Hast du dir weh getan?« Ich stand auf, um Jamies Hand zu untersuchen, aber er schüttelte den Kopf.
»Nein, es ist nichts.«
Wir verharrten einen Moment in verlegenem Schweigen. Ich wollte die Szene nicht ansprechen, die ich belauscht hatte, auch nicht die anderen Ereignisse des Tages. Schließlich brach ich das Schweigen und sagte: »Ich wußte nicht, daß du Linkshänder bist.«
»Oh, das war ich schon immer. Der Schulmeister pflegte mir die Linke auf den Rücken zu binden, damit ich mit der Rechten schrieb.«
»Und kannst du das? Mit der Rechten schreiben, meine ich?«
Jamie nickte und führte seine verletzte Hand wieder zum Mund. »Ja. Aber ich bekomme Kopfschmerzen davon.«
»Kämpfst du auch linkshändig?« fragte ich, denn ich wollte ihn ablenken. »Mit dem Degen zum Beispiel?« Jamie war im Moment nur mit seinem Dolch bewehrt; tagsüber hatte er noch, wie die meisten Männer der Gruppe, einen Degen und Pistolen bei sich.
»Nein, Stichwaffen führe ich gewöhnlich mit der Rechten. Mit einem Degen ist der linkshändige Fechter im Nachteil, denn wenn er
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