Feuer Und Stein
ich dich nicht hungern lasse.«
Er schlug die Forelle in Blätter und kühlen Schlamm ein. Dann reinigte er sich die Finger im Bach, kletterte auf den Felsvorsprung und reichte mir das Paket.
»Vielleicht ein seltsames Hochzeitsgeschenk« - Jamie deutete mit dem Kopf auf die Forelle -, »aber es gibt da Präzedenzfälle, wie Ned Gowan sagen würde.«
»Präzedenzfälle dafür, daß ein Mann seiner eben angetrauten Frau einen Fisch schenkt?« fragte ich erheitert.
Jamie zog die Strümpfe aus und legte sie zum Trocknen in die Sonne. Er bewegte die langen bloßen Zehen genüßlich in der Wärme.
»Es ist ein altes schottisches Liebeslied. Möchtest du es hören?«
»Natürlich. Aber auf englisch, wenn es geht«, fügte ich hinzu.
»Aye. Ich kann nicht singen, doch ich trage dir die Worte vor.« Jamie strich sich die Haare aus der Stirn und begann:
»Du Tochter des Königs hellerleuchteter Burgen,
An dem Abend, da unsre Hochzeit naht,
Werd’ ich, so ich lebe, in Duntulm sein
Und zu dir eilen, mit Geschenken beladen.
Hundert Dachse sollst du haben, Bewohner der Wälle,
Hundert braune Ottern, heimisch in Flüssen,
Hundert silbrige Forellen, ihren Bächen entstiegen…«
Und so ging es weiter, quer durch die schottische Flora und Fauna. Während ich Jamie beim Rezitieren beobachtete, hatte ich Muße, darüber nachzusinnen, wie seltsam es war, daß ich an einem schottischen Tümpel saß, gälischen Liebesliedern lauschte und einen großen toten Fisch auf dem Schoß hatte. Und noch seltsamer war, wie sehr ich es genoß.
Als Jamie ausgeredet hatte, klatschte ich Beifall.
»Oh, das gefällt mir! Besonders dies ›Ich werde zu dir eilen, mit Geschenken beladen‹. Das hört sich nach einem sehr begeisterten Liebhaber an.«
Jamie lachte. »Ich glaube, daß ich noch eine Zeile anfügen könnte: ›Ich werd’ in Tümpel springen um deinetwillen.‹«
Wir lachten beide und schwiegen dann eine Weile und ließen uns von der Frühsommersonne bescheinen. Es war sehr friedlich; außer dem Rauschen des Wassers jenseits unseres Tümpels war nichts zu hören. Ich spürte, wie uns erneut Schüchternheit und Befangenheit überkamen. Ich nahm Jamies Hand in der Hoffnung, diese Berührung werde die Leichtigkeit zwischen uns wiederherstellen. Er legte
mir den Arm um die Schultern, doch dadurch wurde mir nur die Härte seines Körpers unter dem dünnen Hemd bewußt. Ich löste mich von ihm unter dem Vorwand, ein Sträußchen rosa Storchschnabel pflücken zu wollen, der in einer Felsspalte wuchs.
»Die helfen gegen Kopfschmerzen«, erklärte ich, während ich mir die Blumen in den Gürtel steckte.
»Das macht dir zu schaffen«, sagte Jamie. »Nicht Kopfschmerzen, nein. Frank. Du mußt an ihn denken, und wenn ich dich berühre, so macht dir das zu schaffen, weil in deiner Seele nicht Raum für uns beide ist. Hab’ ich recht?«
»Du bist sehr einfühlsam«, sagte ich erstaunt. Jamie lächelte, aber er berührte mich nicht.
»Ist nicht weiter schwierig, das zu erraten, Mädel. Als wir geheiratet haben, wußte ich, daß du oft an ihn denken wirst, ob du willst oder nicht.«
Jamie hatte recht; ich mußte oft an Frank denken, obwohl ich es im Moment nicht tat.
»Bin ich ihm sehr ähnlich?« fragte Jamie plötzlich.
»Nein.«
Tatsächlich wäre es schwierig gewesen, sich einen größeren Gegensatz vorzustellen. Frank war schlank, geschmeidig und dunkel; Jamie war groß, kräftig und hell wie ein Sonnenstrahl. Beide Männer besaßen die kompakte Eleganz eines Athleten, aber Frank hatte den Körperbau eines Tennisspielers und Jamie den eines Kriegers, gezeichnet vom alles andere als metaphorischen Kampf. Frank war nur zehn Zentimeter größer als ich. Wenn ich Jamie gegenüberstand, paßte meine Nase bequem in die kleine Kuhle in der Mitte seiner Brust, und er konnte sein Kinn auf meinen Kopf legen.
Aber die beiden Männer unterschieden sich nicht nur körperlich. Zum Beispiel waren sie altersmäßig fast fünfzehn Jahre auseinander, was vermutlich teilweise den Gegensatz zwischen Franks weltläufiger Reserviertheit und Jamies unverblümter Offenheit erklärte. Als Liebhaber war Frank vollendet, raffiniert, rücksichtsvoll und geschickt. Jamie hatte weder Erfahrung, noch tat er so, als hätte er welche; ohne Vorbehalte schenkte er sich mir ganz. Und die Intensität meiner Reaktion darauf verwirrte mich vollständig.
Jamie beobachtete nicht ohne Mitgefühl meinen inneren Kampf.
»Es möchte scheinen, als hätte ich nun zwei
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