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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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entgegenzutreten.«

    Als wir vor der Doppeltür standen, die hechelnden Hunde auf den Fersen, zögerte Jamie.
    »Sollen wir klopfen?« fragte ich etwas nervös. Er sah mich erstaunt an und stieß die Tür auf.
    »Es ist mein Haus!«
    Jamie führte mich durch die Eingangshalle, vorbei an einigen überraschten Bediensteten, in den Salon. Das Schmuckstück dieses Raumes war ein großer offener Kamin mit einem polierten Sims. Hier und dort standen Gegenstände aus Silber und Porzellan herum und fingen die späte Nachmittagssonne ein. Zuerst schien es, als wäre niemand im Zimmer, aber dann regte sich jemand in der Ecke neben dem Kamin.
    Sie war kleiner, als ich erwartet hatte. Da Jamie ihr Bruder war, hatte ich vermutet, daß sie mindestens meine Größe haben würde, aber die Frau neben dem Feuer war kaum größer als einen Meter fünfzig. Sie hatte uns den Rücken zugekehrt und rückte Porzellan in einer Vitrine zurecht.
    Jamie erstarrte, als er sie sah.
    »Jenny«, sagte er.
    Die Frau fuhr herum, und ich sah ihr bleiches Gesicht und die weit aufgerissenen blauen Augen, bevor sie sich ihrem Bruder an die Brust warf.
    »Jamie!« Klein wie sie war, umarmte sie ihn mit solcher Wucht, daß er leicht schwankte. Er legte ihr die Arme um die Schultern, und sie drückte ihren Kopf an seine Brust. Der Ausdruck von Ungewißheit, Sehnsucht und Freude in seinem Gesicht gab mir beinahe das Gefühl, ein Eindringling zu sein.
    Als sie sich noch näher an ihn drängte und etwas auf gälisch murmelte, machte sich Entsetzen auf seinem Gesicht breit. Er griff sie an den Armen, hielt sie von sich weg und schaute auf sie herab.
    Sie sahen sich sehr ähnlich; die gleichen schräggestellten dunkelblauen Augen und die gleichen hohen Backenknochen, die gleiche dünne, scharfkantige Nase, die eine Spur zu lang war. Aber im Gegensatz zu Jamie war Jenny dunkel; ihre dicken schwarzen Locken wurden hinten von einem grünen Band zusammengehalten.
    Sie war schön, mit feinen, klaren Gesichtszügen und einer Haut wie Alabaster. Und sie war offensichtlich schwanger.
    Jamie war weiß um die Lippen geworden. »Jenny«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »O Jenny. Mo cridh .«

    Ein kleines Kind erschien in der Tür und beanspruchte ihre Aufmerksamkeit. Sie wandte sich von ihrem Bruder ab, ohne dessen inneren Aufruhr zu bemerken. Sie nahm den Jungen an der Hand und führte ihn ins Zimmer. Der Kleine war etwas verschüchtert, steckte sich zum Trost den Daumen in den Mund und versteckte sich hinter den Röcken seiner Mutter.
    Denn daß sie seine Mutter war, war nicht zu leugnen. Er hatte ihren lockigen Krauskopf und die gleichen eckigen Schultern, aber das Gesicht ähnelte dem ihren nicht.
    »Das ist Klein Jamie«, sagte sie und schaute voller Stolz auf ihn herunter. »Und das ist dein Onkel Jamie, mo cridh , der, von dem du deinen Namen hast.«
    »Von mir? Du hast ihn nach mir genannt?« Jamie sah aus, als hätte er gerade einen Schlag in den Magen bekommen. Er rückte von Mutter und Kind ab und sank in einen Sessel, als wäre alle Kraft aus seinen Beinen gewichen. Er verbarg das Gesicht in den Händen.
    Nun fiel auch seiner Schwester auf, daß etwas nicht stimmte. Sie berührte ihn vorsichtig an der Schulter.
    »Jamie? Was ist mir dir, mein Lieber? Bist du krank?«
    Er schaute zu ihr auf, und ich bemerkte, daß ihm Tränen in den Augen standen.
    »Mußte das sein, Jenny? Glaubst du, ich hätte noch nicht genug gelitten für das, was geschehen ist? Mußtest du Randalls Bastard auch noch nach mir nennen, damit ich es nicht vergesse und ich mir für den Rest meines Lebens Vorwürfe mache?«
    Aus Jennys blassem Gesicht war der letzte Rest Farbe gewichen.
    »Randalls Bastard?« fragte sie verständnislos. »John Randall meinst du, den Hauptmann der Rotröcke?«
    »Aye, genau den. Wen, in Gottes Namen, sollte ich denn sonst meinen! Du wirst dich ja wohl an ihn erinnern?« Jamie hatte sich soweit gefaßt, daß er seinen Sarkasmus wiedergefunden hatte.
    Jenny musterte ihren Bruder mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Hast du den Verstand verloren, Mann? Oder hast du auf dem Weg zu tief in die Flasche geschaut?«
    »Ich hätte nie zurückkommen sollen«, murmelte er vor sich hin, erhob sich und wollte an ihr vorbeigehen, ohne sie zu berühren. Aber sie wich nicht aus und packte ihn am Arm.
    »Korrigiere mich, wenn ich mich irre«, sagte Jenny langsam,
»aber ich habe den Eindruck, du willst mir unterstellen, ich hätte für Hauptmann Randall die Hure gespielt.

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