Feuer Und Stein
dunstig, doch hell genug, um die Steinbrücke zu sehen, die sich über ein Flüßchen wölbte, das an der Vorderseite der Burg vorbeiplätscherte und auf einen matt schimmernden, vielleicht fünfhundert Meter entfernten See zueilte.
Die Burg selbst war schmucklos und fest gebaut. Keine dekorativen Türmchen und Zinnen. Mit ihren dicken Mauern und den hohen, schartenartigen Fenstern glich sie eher einem großen, wehrhaften Haus. Über den glatten Dachziegeln trugen rauchende Schornsteine zur allgemeinen Düsternis bei.
Das Burgtor war so breit, daß zwei Fuhrwerke nebeneinander Platz hatten. Ich sage dies guten Gewissens, denn es fuhren gerade zwei durch, als wir über die Brücke ritten. Der eine Ochsenkarren war mit Fässern beladen, der andere mit Heu. Unsere kleine Kavalkade
drängte sich zusammen und wartete ungeduldig darauf, daß die Fuhrwerke das Tor passierten.
Als sich die Pferde über die schlüpfrigen Steine des nassen Burghofs bewegten, riskierte ich eine Frage. Seit ich meinem Gefährten am Straßenrand die Schulter neu verbunden hatte, hatte ich kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Auch er hatte geschwiegen, abgesehen von gelegentlichen Lauten des Unbehagens, wenn er durch einen Fehltritt des Pferdes schmerzhaft gerüttelt wurde.
»Wo sind wir?« krächzte ich, heiser vor Kälte.
»Auf Burg Leoch«, antwortete er knapp.
Burg Leoch. Nun, wenigstens wußte ich jetzt, wo ich war. Ich hatte Leoch als pittoreske Ruine, knapp dreißig Meilen nördlich von Bargrennan, in Erinnerung. Jetzt war es noch sehr viel pittoresker dank der Schweine, die unterhalb der Mauern herumwühlten, und des penetranten Abwassergeruchs. Ich begann die unmögliche Vorstellung zu akzeptieren, daß ich mich im achtzehnten Jahrhundert befand.
Gewiß hatte es 1945 in ganz Schottland kein solches Chaos und keinen solchen Dreck gegeben. Und wir waren eindeutig in Schottland; der Akzent der Menschen auf dem Burghof ließ keinen Zweifel daran aufkommen.
»Dougal!« rief ein zerlumpter Stallknecht, der herbeieilte, um das Halfter des Leitpferds zu ergreifen. »Ihr seid früh zurück; wir hätten nicht gedacht, euch vor der Versammlung zu sehen!«
Dougal saß ab und überließ dem schmuddeligen jungen Mann die Zügel.
»Aye. Wir hatten Glück. Und Pech. Rufst du Mrs. FitzGibbons, damit sie den Männern zu essen gibt? Sie werden ein Frühstück brauchen und ein Bett.«
Dougal winkte Murtagh und Rupert zu sich, und die drei verschwanden unter einem spitzen Torbogen.
Wir übrigen stiegen vom Pferd und warteten zehn Minuten auf dem nassen Hof, bis Mrs. FitzGibbons, wer immer das sein mochte, so gütig war, sich blicken zu lassen. Eine Traube neugieriger Kinder scharte sich um uns und stellte Vermutungen darüber an, woher ich kam und was ich hier zu suchen hatte. Die frecheren begannen gerade, soviel Mut aufzubringen, an meinem Rock herumzuzupfen, als eine stattliche und stämmige Dame in dunkelbraunem Leinen und Tweed eilig aus dem Gebäude trat und sie verscheuchte.
»Willy, mein Lieber!« rief sie. »Wie schön, dich zu sehen! Und Neddie!« Sie gab dem kleinen Mann mit den schütteren Haaren einen herzlichen Begrüßungskuß, der ihn fast umwarf. »Ihr braucht sicher ein Frühstück. In der Küche gibt es genug, geht und bedient euch.« Als sie sich Jamie und mir zuwandte, fuhr sie zurück wie von einer Schlange gebissen. Sie starrte mich offenen Mundes an; dann blickte sie Jamie fragend an, damit er ihr diese Erscheinung erklärte.
Er nickte in meine Richtung. »Claire«, sagte er. »Und Mistress FitzGibbons«, fügte er mit einem Nicken in die andere Richtung hinzu. »Murtagh hat Claire gestern gefunden, und Dougal hat gesagt, wir müßten sie mitnehmen«, erläuterte er und stellte damit klar, daß sie gar nicht erst zu versuchen brauchte, ihm die Schuld zuzuschieben.
Mistress FitzGibbons machte den Mund zu und musterte mich scharf. Anscheinend kam sie zu dem Schluß, daß ich trotz meines seltsamen und skandalösen Aufzugs harmlos aussah, denn sie lächelte - durchaus freundlich, obwohl ihr mehrere Zähne fehlten - und faßte mich am Arm.
»Nun gut, Claire. Willkommen. Kommen Sie, wir suchen Ihnen etwas heraus, das ein bißchen … hmm.« Kopfschüttelnd betrachtete sie meinen kurzen Rock und meine leichten Schuhe.
Sie führte mich bereits resolut davon, als ich mich auf meinen Patienten besann.
»Oh, warten Sie bitte einen Moment! Ich habe Jamie vergessen!« Mistress FitzGibbons war überrascht. »Jamie? Der kann für
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