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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fror, aber das Tuch, das seine Beine bedeckte, war unheilverkündend dunkel vor Nässe. Eine breite Spur im schwarzen Dreck zeigte, wo er den Abhang hinuntergetaumelt war, und ein Durcheinander aus verschlammten Blättern und aufgewirbelter Erde markierte den Punkt, wo er auf den Keiler getroffen war. Ich sank neben dem Mann auf die Knie, schlug die Decke zurück und machte mich an die Arbeit.
    Ich hatte kaum begonnen, da schrien die Jäger, und ich drehte mich um und sah die alptraumhafte Gestalt wieder lautlos zwischen den Bäumen auftauchen.
    Diesmal hatte ich Zeit, den Dolchgriff wahrzunehmen, der aus der Flanke des Keilers ragte - vielleicht das Werk des Mannes auf dem Boden vor mir.
    Die Jäger, die so überrascht waren wie ich, griffen zu den Waffen. Ein hochgewachsener Mann riß einem Gefährten, der wie versteinert war, die Saufeder aus der Hand und trat auf die Lichtung.
    Es war Dougal MacKenzie. Lässig kam er daher, mit gesenkter Waffe, als wäre er im Begriff, einen Spatenvoll Erde zu heben. Er konzentrierte sich auf das Tier und sprach mit gedämpfter Stimme zu ihm, als wollte er es aus dem Schutz des Baumes locken, neben dem es stand.
    Der erste Angriff kam wie eine Explosion. Das Tier brauste an Dougal vorbei, so dicht, daß sein brauner Tartan im Luftzug flappte. Es wirbelte sofort herum und kam wutschnaubend zurück. Dougal sprang beiseite wie ein Torero und zielte mit der Saufeder auf das Tier. Vorbei, zurück, und das Ganze von vorn. Es war eher ein Tanz als ein Kampf, in dem die kraftstrotzenden Widersacher über dem Boden zu schweben schienen.
    Und es dauerte nur eine Minute, obwohl es weit länger schien. Das Ende nahte, als Dougal, den scharfen Hauern ausweichend, die Spitze des kurzen Speeres hob und sie dem Tier geradewegs zwischen die Schultern trieb. Es gab ein Quieken, bei dem sich mir die Härchen auf den Unterarmen aufstellten. Die kleinen Schweinsaugen schossen hin und her, und die zierlichen Hufe sanken in den Schlamm ein, während der Keiler torkelte und taumelte. Das Quieken wurde unmenschlich schrill, als der schwere Körper stürzte. Die Hufe wühlten im Dreck, daß die feuchte Erde aufspritzte.

    Dann hörte das Quieken plötzlich auf. Einen Moment lang herrschte Stille. Noch ein Grunzen, und die massige Gestalt lag reglos.
    Dougal hatte nicht gewartet, um sich zu vergewissern, daß er den Keiler zur Strecke gebracht hatte, sondern hatte einen Bogen um das zuckende Tier geschlagen und war zu dem Verletzten zurückgekehrt. Er sank auf die Knie und schob seinen Arm unter die Schultern des Opfers. Wangen und Haare waren blutverschmiert.
    »So, Geordie«, sagte Dougal, und die rauhe Stimme war plötzlich sanft. »Ich hab’ ihn. Jetzt ist es gut.«
    »Dougal? Bist du’s?« Der Verletzte drehte den Kopf in Dougals Richtung und bemühte sich, die Augen zu öffnen.
    Ich war überrascht, während ich zuhörte und dem Mann den Puls fühlte. Dougal der Jähzornige, Dougal der Harte redete leise auf den Verletzten ein, sprach Worte des Trostes, drückte ihn an sich und strich ihm über die zerzausten Haare.
    Ich setzte mich auf die Hacken und griff erneut nach den Verbänden neben mir. Eine tiefe, mindestens zwanzig Zentimeter lange, stark blutende Wunde verlief von der Leiste über den Oberschenkel. Es spritzte jedoch nicht, also war die Oberschenkelarterie nicht verletzt, und die Aussichten, die Blutung zu stillen, waren gut.
    Was man dagegen nicht aufhalten konnte, war das Tröpfeln aus dem Bauch des Mannes, wo die Hauer alles aufgerissen hatten: Haut, Muskeln, Eingeweide. Der Darm war perforiert; ich sah es deutlich durch den ausgefransten Spalt im Fleisch. Solche Unterleibsverletzungen waren oft tödlich, selbst wenn ein moderner Operationssaal und Antibiotika zur Verfügung standen. Und hier, wo ich nichts zur Behandlung hatte als Knoblauch und Schafgarbe …
    Mein Blick begegnete dem von Dougal, der ebenfalls die gräßliche Verletzung betrachtete. Seine Lippen bewegten sich, fragten lautlos: »Kann er das überleben?«
    Ich schüttelte stumm den Kopf. Dougal zögerte einen Moment, dann beugte er sich vor und löste die Aderpresse, die ich am Schenkel des Mannes angelegt hatte. Er sah mich an, schien auf Widerspruch zu warten, doch ich nickte nur. Ich konnte die Blutung stillen und den Mann auf die Burg schaffen lassen. Dort würde er im Bett liegen, während die Unterleibsverletzung eiterte, bis sich die Fäulnis weit genug ausgebreitet hatte, um ihn zu töten - möglicherweise

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