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Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Titel: Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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ist die Gefahr, dass sie wieder Angst bekommt, viel zu groß. Wenn er eines vermeiden muss, dann, dass Josie sich fürchtet. Das kann sich nämlich unter Umständen tödlich auswirken. Für sie beide. Wenigstens soviel hat er mittlerweile begriffen ...
    Also zaubert Andrew sein sanftestes, beruhigendstes Lächeln hervor und erhebt sich – mit ihr im Arm. »Keine Sorge, Baby. Sollte das eintreffen, melde ich mich ...«
    Sie nickt und beobachtet kritisch, wie er sie die Treppe hinaufträgt, während er es mit ihrem doppelten Gewicht aufnehmen könnte – ohne die geringste Anstrengung zu zeigen ...

    Es ist kompliziert, langwierig, garantiert dämlich, von Effizienz ganz zu schweigen.
    Doch am Ende ist es ihm gelungen: Mit Ausnahme seines und Josies Badezimmers und des Ankleideraumes bleibt sie bei ihm. Wie sie sein an Wahnsinn erinnerndes Verhalten auslegt, weiß Andrew nicht. Sie scheint jedoch eine Erklärung gefunden zu haben, die sie nicht zur sofortigen Flucht veranlasst. Und als sie im Wagen sitzen und Johnson sie in die Firma fährt, spürt er, dass es ihm langsam besser geht. Zumindest droht er nicht mehr zu heulen, sofern ihr Blick zu rücksichtsvoll ausfällt, wenn er sieht, dass sie immer noch Schatten unter den Augen spazieren trägt, er ihre zerbrechlichen Handgelenke betrachtet beziehungsweise feststellt, wie hübsch sie in dem kurzen Rock und dem einfachen hellen Top ist. Oder, wenn er realisiert, wie gut das Frühstück schmeckt, dass heute – wie übrigens an fast jedem Tag – die Sonne scheint, die Vögel zwitschern ...
    Ohne Aufforderung hat sie sich auf seinen Schoß begeben, er zögert allerdings – nur aus der Angst heraus, seine Arme wieder nicht überreden zu können, sich von ihr zu lösen. Das mag daheim gehen, es würde aber ein ziemlich befremdliches Bild abgeben, sollte er das Gleiche in der Tiefgarage seines Unternehmens tun. Außerdem dürften seine Mitarbeiter auch äußerst dämlich glotzen, wenn er darauf besteht, Josie ins Büro zu tragen.
    Obwohl die saublöden Mienen es ihm wert wären.
    Ganze zwei Minuten studiert er ihr blasses, so abgespanntes Gesicht. Als ihm dennoch keine neuen Tränen kommen, entscheidet er, dass es sicher ist.
    Meine Scheiße, Norton. Du bist total im Arsch!
    ›Ja, und wessen Schuld ist das? Du hast mich schließlich hängen lassen!‹
    Er stöhnt. Oh, Mann, Norton. Wie oft denn noch? ICH KANN DIR NICHT BEI DER VERNICHTUNG DEINER FRAUEN HELFEN! Das musst du schon allein tun! Ich bin für den anderen Teil zuständig!
    Andrew geht nicht auf ihn ein. Hatte er ernsthaft mit seinem Verständnis gerechnet? Wenn ja, liegt der Idiot doch richtig: Dann ist er nicht mehr nur im Arsch, sondern total im Arsch.
    Seine Arme umfassen ihren zarten, so duftenden Körper, sein Kopf ruht auf ihrer Schulter und er lauscht ihren Atemzügen. Nie hätte er geglaubt, dass dieses Geräusch einmal Musik in seinen Ohren sein würde. Ehrlich, eine Symphonie von Beethoven ist ein Scheißdreck dagegen.
    Verdammt! Hastig blinzelt er die Tränen weg. Das ist nicht gut! Völlig verkehrte Richtung. Er schließt die Augen, ballt die Fäuste, sodass sie es nicht mitbekommt und versucht Luft zu holen.
    Einatmen – bis fünf zählen – Ausatmen ...
    Unvermittelt sucht ihn grenzenlose Angst heim. Zum ersten Mal, seitdem er einer Beschäftigung nachgeht – also seit mehr als zwölf Jahren – glaubt er nicht nur, es nicht zu schaffen, nein, er weiß , dass er es nicht bringen wird. Irgendwann heute – bei seinem Glück zum denkbar falschen Zeitpunkt – wird er die Fassung verlieren. Und dann ist er erledigt! Erstmalig bereut Andrew es, nicht zu Hause geblieben zu sein. Die Ironie dabei entgeht ihm keineswegs. Er hat Arbeitstage hinter sich gebracht, an denen er so müde war, dass sich die Gesichter seiner Angestellten in irgendwelche albtraumartigen – ha! der war gut! – Fratzen verwandelten. Tage, an denen er nur eines wollte – seinen Kopf auf die Tischplatte legen, das Gehirn abschalten und nicht länger denken, hören, riechen. Einfach die Sinne ausklinken. Dennoch hat er es immer irgendwie geschafft. Doch nach einer Nacht, in der er seit vierundzwanzig Jahren das erste Mal neun Stunden geschlafen hat ...
    MOMENT!
    NICHT SO SCHNELL!
    Neun ...
    NEUN!
    N E U N STUNDEN!
    Nine, Nove, Neuf, Nio, Negen, Ni, Naú, DewjetDocus, Kilenc, NEUN!
    ... nicht zwei oder drei – hastig schluckt er erneut an dem furchtbaren Drang, zu heulen – sondern neun verdammte Stunden, wähnt er sich nicht

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