Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
wirklich nicht besonders ehrgeizig zu sein. Der Typ ist mindestens fünfundzwanzig und hat bis vor zwei Jahren nicht gearbeitet?
Der Bär-Gorilla grinst verlegen. »Na ja, um ehrlich zu sein ... ich bin nicht sehr anspruchsvoll ...«
Aha, klarer Fall von Ich lieg Mommy und Daddy so lange wie möglich auf der Tasche...
»... mir genügte, was meine Eltern mir monatlich gaben ...«
Andrews Züge verhärten sich immer weiter. Ach nein! Er ist ein beschissener Parasit! ›Und, was ist dann passiert? Mommy und Daddy haben den Geldhahn zugedreht? Oder konnten mit einem Mal nicht mehr deine Faulheit finanzieren? Wurden krank? Arbeitslos? Na, was? Komm Junge, ich habe diese Art von Geschichten bereits tausend Mal gehört. Ich höre sie gern noch einmal ... Damit ich nicht vergesse, wie wenig manche Hornochsen den Umstand zu würdigen wissen, Eltern zu haben!‹
Die Augen des Konzernchefs werden immer größer und das Grinsen des Gorillas verschwindet. Er scheint also zumindest über rudimentären Intellekt zu verfügen.
»... neben dem Stipendium«, schließt er etwas unsicher.
Stipendium? Okay. Vielleicht nicht ganz der Hornochse, den Andrew zunächst vermutet hat. Aber bestimmt ist es eines dieser dämlichen Sportstipendien gewesen, die an jeden Versager verschenkt werden, solange er die körperlichen Voraussetzungen besitzt, sodass Harvard und Yale sich auch weiterhin gegenseitig beim Football die Fressen polieren können. »Darf ich fragen, was Sie studierten?« Das kommt sogar ausnehmend eisig.
»Ich promovierte in Philologie«, murmelt der Bär und wird rot.
Womit sich die Nummer mit den Wundern wohl erledigt hat. Oder die Geschichte geht jetzt erst richtig los und Andrew wird bis Sonntag das Rätsel um die schwarzen Löcher entschlüsseln. Dieser Gorilla hat nicht nur eines der schwierigsten Studienfächer belegt, die der Markt bietet; der Sebastian–Bär ist nicht nur ein promovierter Doktor, nein! Das Beste ist, er wird tatsächlich vor Verlegenheit rot, weil er es gerade der Runde mitgeteilt hat.
Doch er erholt sich recht schnell und die Röte verschwindet. Aber das Grinsen kehrt nicht zurück, als er fest Andrews Blick erwidert.
»Ne curaveris, Mr. Norton, eam attendam.« Keine Sorge, Mr. Norton, ich werde auf sie achtgeben.
Forschend mustert Andrew die großen, grünen Iriden und nach einer Minute weiß er, dass Josie sicher ist. Demetri ist das eine, dieser Sebastian–Bär etwas völlig anderes.
Finch hat währenddessen keinen Ton verloren und wie das Mädchen reglos ihrer Unterhaltung gelauscht.
»Warum haben Sie sich dann für diesen Job entschieden?«, erkundigt Andrew sich nicht mehr ganz so eisig.
»Die Zeiten sind nicht sonderlich rosig für jemanden, der sich in Altgriechisch und Latein auskennt, Mr. Norton. Man muss flexibel sein, will man überleben.«
Auf jeden Fall. Niemand interessiert sich besonders für die Erforschung und Deutung der ehrwürdigen Vorfahren, wenn die Etats sämtlicher Museen gekürzt werden.
Andrew wendet sich an Finch. »Sollte das Haus separat geschützt werden?«
Das Kopfschütteln erfolgt ohne Zögern. »Ich denke nicht, dass dies vonnöten ist. Zumindest im Moment nicht.«
»Sonst irgendwelche Neuigkeiten?«
»Die Informationen gehen Ihnen per Mail zu.«
Das heißt, Andrew wird vielleicht bald hinter die Gründe für Josies seltsame Ängste kommen. Das segnet er stumm ab und wieder breitet sich Stille aus. Irgendwie gelingt es ihm heute nicht, eine Konversation am Laufen zu halten. Möglicherweise ist das unheimliche Schweigen auch darauf zurückzuführen, dass die Fakten besprochen wurden und alles Weitere definitiv Zeitverschwendung ist. Weder Finch noch Mr. Dr. phil. Sebastian dem Bären entgeht das, denn sie leeren eilig ihre Tassen und erheben sich. »Ich melde mich nach Sichtung Ihrer Mail.« Der Sicherheitschef nickt knapp, während der Bär Josie die Hand reicht. Andrew muss sich Mühe geben, um nicht dazwischen zu gehen, als die kleine Puppenhand in der riesigen Pranke verschwindet. Der Handschlag dauert allerdings nicht lange an. Sehr gut.
Als Nächstes ist Andrew mit der Verabschiedung an der Reihe. »Auf Wiedersehen, Mr. Norton.«
Solange Sebastian der Bär auf Josie aufpasst, ist er relativ beruhigt. Außerdem scheint sie von ihm alles andere als begeistert zu sein – zumindest, was seine männliche Seite betrifft. Vermutlich zu groß und zu gefährlich.
Hmmm.
Andrew kann nicht behaupten, deshalb besonders sauer zu sein.
Kaum hat sich
Weitere Kostenlose Bücher