Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
den obersten Hemdknopf und zwingt sich, ihm dabei nicht ins Gesicht zu schauen. Der Nächste folgt, dann der Dritte, Vierte Fünfte …
Scheiße, sie hat Schiss, jetzt ist es offiziell!
Beim Sechsten angelangt, stockt hörbar sein Atem und er packt sie an den Schultern. »Nein, Josie!«
Innerlich seufzt sie erleichtert auf, als sie ihn ansieht und ES nicht findet. »Ich schwöre dir, es passiert nichts.« Sehr schön, nach wie vor klingt sie durchaus glaubhaft. Jedenfalls hört sich das nicht so verräterisch an, wie ihre zitternden Hände aussehen.
Doch Andrew schüttelt den Kopf. »Du willst das nicht, ich weiß es und ich könnte nicht ertragen, wenn du ...« Er schluckt. »Das Risiko ist viel zu groß. Mir ist klar, du tust es für mich, aber ich kann das nicht ...«
»Schhhh ...« Ihr Finger auf seinen Lippen lässt ihn verstummen. »Akzeptiere es. Du brauchst es und deshalb will ich es ...«
Stöhnend bewegt er den Kopf in einer fortwährenden Verneinung. »Das ist falsch! Das ist ...«
»Halt den Mund!« Ihr Befehl bringt ihn zum Schweigen und unvermittelt durchströmt sie atemberaubende Macht. Nachdem sie einundzwanzig Jahre lang nur ein Sandkorn im Universum war, besitzt sie plötzlich Gewalt über einen Mann.
Diesen! – was noch erschwerend hinzukommt.
Das ist eine berauschende Vorstellung, jedenfalls, wenn man Josephine Kent heißt. Mit einem Mal sind ihre Hände so fest und überzeugt, wie ihre Stimme. Sie löst die restlichen Knöpfe und streift das Hemd über seine Schultern.
Auch ein Anblick, der Josie echt gefällt und ihr ein seltenes Gefühl von Geborgenheit verleiht. Sie öffnet nämlich nicht die Knöpfe an seinen Handgelenken, womit er bewegungsunfähig und perfekt gefangen ist. Doch irgendwie hat sie nicht den Eindruck, als lägen Befreiungsversuche im Bereich des derzeit Möglichen, denn er rührt mal wieder keinen Muskel.
Als sie seine muskulöse, unbehaarte Brust betrachtet, kann sie mit einem Mal nicht mehr verstehen, weshalb sie gestern so albern reagiert hat. Es sieht gut aus, zieht sie wirklich auf eine unbekannte Art an, die sie nicht wenig verwirrt. Keinesfalls wirkt Andrew bedrohlich auf sie, obwohl sie am liebsten darauf verzichten würde, ihn zu berühren, vorausgesetzt ihr bliebe eine Wahl. Ihn anzusehen – anzuhimmeln – genügt ihr. Dennoch gelingt es ihr, sich auf die derzeitige Situation einzustellen, und so gleitet sie sanft mit den Fingern über die warme Haut. Ein Prickeln lässt ihre Fingerspitzen erbeben. Es ist so ungewohnt, doch wirklich nicht unangenehm. Sicher hat sie Schwierigkeiten beim Atmen, droht aber diesmal nicht, damit aufzuhören. Eher scheint die Luft plötzlich unter Spannung zu stehen, die knisternd auf sie übergeht und von ihr Besitz ergreift. Es ist kurz, jedoch umfassend in seiner Wirkung. Von Andrew geht ein unvergleichlicher, einzigartiger Duft aus. Bisher haben alle Kerle für sie gestunken – auch ihr Grandpa –, als würde das Schwein in ihnen nach draußen streben. Bei ihm ist es anders. Und obwohl sie inzwischen die Augen zusammenkneift – irgendwann ist auch ihre Courage mal aufgebraucht – ist sie dankbar, dass es nicht schiefgegangen ist. Das ist übrigens ein sehr gutes Rezept: wenn es zu grauenhaft wird, einfach die Lider schließen. Dann kann man sich immer noch einreden, dass die Gefahr nicht wirklich vorhanden ist.
Oh, Josie ist keineswegs dumm. Sie weiß, dass irgendwo dort unten ein unaussprechliches Grauen lauert – jenseits des Gürtels.
So verhasst, so gefürchtet, dass allein die Vorstellung ihr schlagartig den Atem raubt. Deshalb denkt sie nicht häufig darüber nach. Dass sie es auch nicht anschauen muss, genügt im Allgemeinen. Was würde sie darum geben, damit er an dieser Gürtellinie einfach endet. Sie nimmt an, dass es sie dann nicht besonders viel kosten würde, ihn aus freien Stücken zu berühren.
Aber tief in ihrem Unterbewusstsein ahnt sie in jeder Sekunde, dass es da ist. Und es gibt absolut gar nichts, wovor sie mehr Angst hat – genau genommen beschissene Todesangst.
Dabei zwingt sie sich, diese Überzeugung beiseitezuschieben und konzentriert sich auf ihre Mission.
Wie auch immer die nun heißt. Sie schätzt, Andrew retten und sich ein bisschen zwingen. Denn tut sie es nicht, und dessen ist Josie sich sogar ausufernd bewusst, wird sie ihn verlieren.
Aber das will sie am allerwenigsten – egal was sie sonst von diesem Teil hält.
Er hat sich während der gesamten Zeit, in der ihre Hände
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